Steuern:Kalt und unerfreulich

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Finanzministerium unter Christian Lindner will eine Ausgestaltung der Steuertarife, die einen vollständigen Ausgleich der kalten Progression vorsieht. (Foto: POOL/AP)

Die gestiegene Inflation bringt schleichende Steuererhöhungen mit sich. Was tut Finanzminister Lindner gegen die "kalte Progression"?

Von Henrike Roßbach, Berlin

5,3 Prozent im Dezember, 3,1 Prozent im Durchschnitt des vergangenen Jahres - die Inflation ist zurück in Deutschland und mit ihr eine weitere alte Bekannte: die "kalte Progression". Kurz zusammengefasst bedeutet sie eine Art heimliche Steuererhöhung. Die Frage ist deshalb: Was tut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen, der Steuererhöhungen ja ausgeschlossen hat?

Die Opposition legt schon mal den Finger in die Wunde: "Für uns als Unionsfraktion war es ein wichtiger Bestandteil unseres Programms, die kalte Progression regelmäßig auszugleichen", sagte Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Süddeutschen Zeitung. "Dass diese schleichende Steuererhöhung von der Ampel weder im Koalitionsvertrag noch vom neuen Finanzminister erwähnt wird, ist enttäuschend. Gerade in Zeiten steigender Preise sollten die Bürgerinnen und Bürger nicht zusätzlich belastet werden." Und Gitta Connemann, die neue Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion von CDU/CSU, nannte Steuererhöhungen "Gift für den Aufschwung und eine Attacke auf Leistungsträger". Das gelte auch für schleichende Steuererhöhungen wie die kalte Progression.

Der Hintergrund: Unter kalter Progression versteht man den aus Steuerzahlersicht unerfreulichen Effekt, dass eine Gehaltserhöhung, die nur die Teuerungsrate ausgleicht, zu einer höheren Steuerlast führen kann - obwohl man sich von dem höheren Gehalt ja gar nicht mehr kaufen kann. Grund ist der progressive Einkommensteuertarif. Je mehr man verdient, desto höher ist der Steuersatz auf diese zusätzlichen verdienten Euros.

Weil das nur schwer vermittelbar ist, wird die kalte Progression seit einiger Zeit durch eine Korrektur des Steuertarifs ausgeglichen. Eigentlich. Die Ampel-Regierung hat nun aber darauf verzichtet, diese Justierung an die gestiegene Inflation anzupassen. Darauf weist das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hin. Zum 1. Januar 2022 wurde der Tarif nämlich nur entsprechend der Inflationsschätzung vom Herbst 2020 angepasst. Damals aber wurde mit 1,2 Prozent Inflation gerechnet, geworden sind es gut drei.

Ein kleines Minusgeschäft

Für einen Durchschnittsverdiener mit brutto 50 000 Euro im Jahr ist das zwar nur ein kleines Minusgeschäft von 30 Euro im Jahr. Die Frage aber ist, wie der Finanzminister weiter vorgehen will. Denn bleibt die Inflation hoch, könnte der Effekt sich bald deutlicher bemerkbar machen. Lindners Sprecher versicherte am Montag, das Ministerium strebe "natürlich" eine Ausgestaltung der Steuertarife an, die einen vollständigen Ausgleich der kalten Progression vorsehe. Der nächste Progressionsbericht werde im Herbst vorgestellt; dann werde man darlegen, wie hoch der nächste Ausgleich ausfallen werde.

Differenzen mit dem Koalitionspartner sind allerdings nicht ausgeschlossen. "Wir brauchen Entlastungen gegen die Inflation - aber effektiv und zielgenau", betonte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Lisa Paus. Die Ampel arbeite mit Hochdruck an Lösungen für die Energie- und Wohnkosten, die Anpassung der kalten Progression aber sei keine Priorität und stehe jetzt gar nicht an, sagte sie unter Verweis auf den Progressionsbericht im Herbst. Breite Steuersenkungen rissen Löcher in den Haushalt und liefen Gefahr, die Inflation weiter anzuheizen.

Die CDU-Abgeordnete Connemann kritisierte jedoch, dass die Ampel einfach zusehe, "dass sich die Steuern durch Unterlassen erhöhen". Bei steigender Inflation müsse der Einkommenssteuertarif "umgehend in gleicher Höhe" angepasst werden. "Und damit es die Ampel nicht wieder vergisst, sollte dieser Mechanismus gesetzlich verankert werden."

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