Es wird Frühling: Die Tage werden länger, die Temperaturen milder und das Virus zieht sich langsam zurück. Es ist die Jahreszeit, in der sich die Büroarbeiter mal wieder vor die Tür und ins Büro wagen. Geschätzte 15 Millionen von ihnen gibt es in Deutschland. Und bald werden sie nicht mehr verlangen können, von zu Hause aus zu arbeiten. Zum 20. März läuft der Rechtsanspruch darauf aus, zusammen mit vielem anderen, was die Bundesregierung beschlossen hatte, um die Omikron-Welle zu bremsen.
Auch daheim wird hart gearbeitet
Und dann? Zurück zum präpandemischen business as usual, also fünf Mal die Woche pendeln und Bürozeit von neun bis 17 Uhr? Zwei Drittel der Firmen wäre es das Liebste so, heißt es zumindest vom Arbeitgeber-Spitzenverband BDA. Gut möglich, dass man in diesen Unternehmen noch nicht verstanden hat, was die Konsequenz wäre: Gerade die so begehrten und gesuchten Fachkräfte würden wohl nicht selten die Flucht ergreifen. Einfach weil ihre Chefinnen und Chefs ihnen offensichtlich immer noch nicht vertrauen. Und weil sie nicht verstanden haben, dass sie in der Arbeitswelt nicht mehr allein bestimmen, was geht und was nicht. Wer jetzt stur "Antreten im Büro" befiehlt, könnte dort bald ohne IT-Spezialisten, Ingenieure oder Juristinnen sitzen.
Zwei Jahre Corona-Pandemie haben zweierlei bewiesen, erstens: Home-Office heißt eben nicht Sofa statt Schreibtisch. Auch daheim wird hart und produktiv gearbeitet, oft sogar noch mehr als im Büro. Und zweitens: Für manche Aufgaben braucht man die Firma nicht, weder Kollegen noch Chefs noch Spezialausrüstung. Die erledigt man am besten allein und spart sich auch noch die unbezahlten Stunden unterwegs. Millionen Menschen haben in den zurückliegenden Monaten erlebt, dass es so ist. Sie werden sich kaum wieder das Gegenteil einreden lassen.
Und das ist auch gar nicht nötig. Viele wollen gern zurück ins Büro, wenn auch nicht unbedingt jeden Tag. Zwei Jahre Pandemie haben nämlich ebenfalls bewiesen, dass Home-Office allein meist auch nicht optimal ist. Manche Aufgabe wird einfacher, wenn man sich mit Kollegen austauscht, statt allein darüber zu brüten oder womöglich noch Kinder zu betreuen. Viele Beschäftigte arbeiten daheim zudem länger, Privates und Dienstliches verschwimmen, wenn alles am gleichen Ort passiert. Das erleben viele inzwischen als Belastung. Der Arbeitsort Büro hat - wer hätte es gedacht - damit einen ganz neuen Reiz entwickelt.
Ein bisschen mehr Freiheit wäre ein Anfang, gepaart mit klaren Regeln
Es ganz aufzugeben und sich die Miete zu sparen, wäre deshalb genauso unklug. Zumal die Beschäftigten daheim auch die Bindung zum Unternehmen verlieren, das zeigen inzwischen Untersuchungen. Wenn das Soziale im Job so sehr in den Hintergrund tritt, sinkt eben auch die Hemmschwelle, sich anderweitig nach finanziellen Anreizen umzusehen. Das Ergebnis: Auch dann sind die begehrten Fachkräfte weg.
Wenn es also das alte Büro nicht sein soll, das Home-Office aber auch nicht - was dann? Ein bisschen mehr Freiheit wäre ein Anfang, gepaart mit klaren Regeln. Wenn jeder ein Stück weit entscheiden kann, wo er oder sie arbeitet, schafft das Wohlbefinden. Und wenn alle wissen, dass sich das gesamte Team beispielsweise an einem Tag in der Woche im Büro versammelt und austauscht, stärkt das die sozialen Bindungen, und die Vorgesetzten behalten den Überblick.
Billig wird das freilich nicht. Dass jeder Büroarbeiter künftig zwei ausgestattete Schreibtische braucht - einen daheim, einen in der Firma - ist da noch das Geringste. Das Büro an sich muss sich verändern: weg von einem Ort, an dem die Mitarbeiter aufbewahrt werden, hin zu einem, an den sie gern kommen und wo sie echten Mehrwert schaffen. Es wäre höchste Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, Home-Office-Anspruch hin oder her.