Volkswagen:Ist Herbert Diess überhaupt noch der Richtige für VW?

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In der Branche war Herbert Diess gefürchtet als Pfennigfuchser. Wobei ihm die Lieferanten einen eigenen Titel gaben: der Knochenbrecher. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Das Führungsprinzip von VW-Chef Herbert Diess lautet: Provokation. Doch das allein reicht nicht mehr. Um an der Konzernspitze zu bleiben, muss er auf die Menschen zugehen.

Kommentar von Max Hägler

Es gibt verschiedene Führungspersönlichkeiten. Angela Merkel etwa, die Kanzlerin, die trotz oder wegen ihrer abwägenden und abwartenden Art das Land lange Zeit einen konnte. Oliver Zipse, der hochkorrekte Vorstandschef, der BMW mit Ruhe durch unruhige Zeiten steuert. Oder Jürgen Klopp, der als viriler und bodenständiger Trainer Fußballmannschaften zu Weltruhm führt.

Und dann gibt es Herbert Diess. Er ist ein brutaler Knochenbrecher - oder, etwas freundlicher ausgedrückt: ein hochgradig ungeduldiger Provokateur. Damit hat er Volkswagen erfolgreich in ein neues Zeitalter getrieben, die Elektromobilität. Doch mit Recht stellen sich immer mehr - auch ihm Wohlgesonnene - die Frage, ob seine Manier noch zeitgemäß ist.

In den vergangenen Wochen hat er wieder einmal sein gewohntes Führungsinstrumentarium ausgepackt. Er ließ unabgesprochen Sparszenarien ausarbeiten (welche 30 000 Jobs könnten bei VW wegfallen?), lobte den Konkurrenten Tesla in den Himmel, missachtete die Belegschaft - und löste damit zuverlässig einen großen Krach aus. Ihm gefällt das, nur durch Reibung entsteht Neues, so seine Grundhaltung. Sein Umfeld berichtet, dass er derzeit ausnehmend gut gelaunt übers Werksgelände in Wolfsburg laufe.

Von allen Seiten ist das Wort Entfremdung zu vernehmen

Sein weiterer Gedanke - neben dem Lustgewinn durch Konflikt - ist auch nachvollziehbar: Er will die Strukturen und Prozesse beim Autokonzern VW aufbrechen. Kaum einer, der Wolfsburg näher kennt, wird bestreiten, dass sich hier vieles ändern muss. Wer VW führt, muss insofern unangenehm auftreten können.

Das Problem ist: Diess scheint wirklich nur das Knochenbrechen zu beherrschen. Seit seinem Amtsantritt hat er den Laden immer wieder mit Provokationen zum Wahnsinn getrieben. Von Außen betrachtet ist das stets von hohem Unterhaltungswert, und innen kommt manches in Bewegung - aber nicht nur zum Guten. Im Sommer wurde dennoch sein Vertrag verlängert, verbunden mit der Forderung, er möge fortan ausgleichender auftreten. Das sollte ja möglich sein, zumal jüngst sein ärgster Widersacher, Betriebsratschef Bernd Osterloh, abgeschoben worden ist. Dachte man.

Doch nun ist das Spiel von vorne losgegangen. Und nun ist - von allen Seiten - nachvollziehbar das Wort Entfremdung zu hören. Für gute Führung gilt eben: Wer bricht, muss auch zusammenfügen können, muss Vertrauen schaffen, muss ausgleichen. Wenn Herbert Diess das weiterhin nicht gelingt - und es fehlt dafür die Fantasie, denn er ist aussozialisiert - wird seine Zeit an der VW-Spitze bald vorbei sein. Das Vertrauen der Familien Porsche und Piëch mag wichtig sein. Viel entscheidender aber ist die Haltung des Miteigentümers Niedersachsen. Und dort wird im kommenden Jahr gewählt. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil wird alles daran setzen, dass zum Wahltermin Ruhe herrscht bei VW.

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