Haushaltsstreit:Drei Szenarien, wie es in Italien weitergehen könnte

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Römische Street Art: In Anlehnung an eine Aktion des britischen Künstlers Banksy wird hier die Europaflagge zugunsten der italienischen geschreddert. (Foto: Filippo Monteforte/AFP)
  • Der Streit über den neuen Haushalt Italiens droht zu eskalieren: Der Ton aus Brüssel wird mit jedem Tag rauer.
  • Noch hätte die Regierung in Rom die Möglichkeit, ihren Haushalt nachzubessern, doch das Szenario ist nicht sehr wahrscheinlich.
  • Es besteht die reale Chance, dass die italienische Regierung im eigenen Chaos versinkt und auseinanderbricht.

Von Oliver Meiler, Rom

Der Ton aus Brüssel ist gegeben, und wenn man das in Rom richtig deutet, dann ist dieser Ton schärfer und unnachgiebiger als je zuvor. Italien hatte ja früher in Europa oft als barocker, aber irgendwie sympathischer Partner gegolten, dem man die eine oder andere Extravaganz verzieh. Der Streit über den neuen Haushalt aber, der ist ganz real. Er läuft gerade auf ein denkwürdiges Ultimatum zu, auf eine Art Duell: Italien gegen alle.

Bis Montag hat die populistische Regierung in Rom Zeit, um die vielen Zweifel der EU-Kommission und der EU-Partnerstaaten auszuräumen. Genügt sie dieser Forderung nicht, könnte ihr Etat vielleicht schon am kommenden Dienstag abgelehnt werden - rundum und krachend. Die Kommission hält die Pläne von Lega und Cinque Stelle für "beispiellos" überzogen, so steht es in einem Brief. Noch nie habe ein Mitgliedsland die Regeln des Stabilitätspakts dermaßen zu biegen versucht, wie es das hochverschuldete Italien jetzt plane. Abzüglich aller Diplomatie: Deutlicher lässt sich das nicht formulieren, und das ist kein Wunder.

Eine Neuverschuldung um 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie sie die neuen Mächtigen in Rom anpeilen, um damit einen Teil ihrer abenteuerlichen Wahlversprechen zu realisieren, das ist drei Mal so viel, wie einst mit Brüssel ausgemacht war. Die Frage ist, wie die Italiener mit diesem Ultimatum umgehen.

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Möglich sind drei Szenarien. Rom könnte - erstens - einlenken, einfach so, übers Wochenende. Es müsste dafür einige Dezimalstellen Defizit streichen und sagen: Okay, wir haben verstanden. Mindestens nötig wäre eine Verringerung um 0,4 bis 0,5 Prozent. Mit 1,9 oder 2 Prozent Defizit könnte man in Brüssel wohl leben. Vielleicht würden dann auch die Ratingagenturen davon absehen, die Glaubwürdigkeit Italiens weiter herabzustufen, womöglich sogar auf Ramschniveau.

Doch dass sich die Populisten plötzlich ducken, ist nicht sehr wahrscheinlich. Jede Dezimalstelle steht für einige Milliarden Euro, die dann für die Finanzierung des Bürgergelds, für die Umkehrung der Rentenreform und für die Reduktion der Unternehmenssteuer für Kleinfirmen fehlen würden. Da die budgetierten Mittel bereits in der expansiven Version des Etats nur für eine Minimalversion dessen reichen, was die beiden Parteien versprochen haben, können Cinque Stelle und Lega kaum davon abrücken. Ihre Wähler würden das nicht verstehen. Man hat die Italiener zu lange bezirzt mit der Verheißung, es sei Zeit, dass die Bürger endlich etwas zurückbekämen.

"Haushalt des Volkes", so nennt sich das in der Propaganda der Populisten. Premier Giuseppe Conte findet gar, er sei "sehr schön und gut durchdacht". Er sagte das am Rand des EU-Gipfels, voller Trotz. Man hatte ihm dort nämlich gerade klargemacht, dass man den Haushalt für nicht so schön und gut durchdacht hält. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zum Beispiel, zu dem Italiens Regierung einen guten Draht zu haben glaubte, sagte es so: "Die Europäische Union ist eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln gibt, an die sich alle halten müssen." Breche Italien diese Regeln, gefährde es nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Die Sorge vor Ansteckung wächst, und da hört natürlich die Freundschaft auf.

Luigi Di Maio ging sogar soweit, EU-Kommissare mit "Terroristen" zu vergleichen

Rom kann - zweitens - hart bleiben und laut kontern. Die Rhetorik für dieses wahrscheinlichere Szenario ist erprobt. Luigi Di Maio und Matteo Salvini, die beiden Parteichefs und Vizepremiers, wiederholen bei jeder Gelegenheit, die EU, die Kommissare, die bösen Märkte - alle wollten sie daran hindern, Gutes zu tun für ihr Volk. Di Maio ging soweit, EU-Kommissare mit "Terroristen" zu vergleichen. Verrückt? So machen die Populisten Stimmung. Und da die Masche funktioniert und ihre Beliebtheit im europamüden Volk immer noch wächst, machen sie vorerst mal weiter.

Aufhören würden sie wohl erst, wenn der "Spread", die Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen, über eine gefährliche Schwelle springen und die Schulden unerschwinglich machen würde: 400. Diese Zahl gilt gleich mehreren Regierungsmitgliedern als Grenzmarke. Auch Salvini sagte einmal, bei 400 müsse man noch mal über die Bücher. Weit weg ist man nicht mehr: Am Freitag lag der Spread zeitweise bei 340 Punkten, dem Höchststand seit fünf Jahren.

Die italienische Regierung könnte - drittens - im eigenen Chaos versinken und auseinanderbrechen. In den vergangenen Tagen häuften sich die Anzeichen dafür, dass es zwischen den beiden Bündnispartnern selbst am elementarsten Vertrauen mangelt. Luigi Di Maio behauptete ganz aufgeregt im Fernsehen, eine "manina", eine versteckte Hand, habe das Dekret zur Straffreiheit für Steuerbetrüger umgeschrieben, nachdem der Ministerrat es bereits beschlossen hatte. Er werde damit zur Staatsanwaltschaft gehen. Der Verdacht des Chefs der Fünf Sterne zielte auf die Lega. Ein Komplott unter Partnern?

Seitdem spekulieren die Italiener darüber, ob Di Maio einfach ein Theater aufführte, um seine Wähler zu besänftigen. Die sind es leid, dass alle ihre Maximen geopfert werden, nur weil Salvini es so will. Oder ist es am Ende tatsächlich so, dass die politisch gewieftere Lega die unbedarften Koalitionäre heimlich übers Ohr haut? Auf Di Maios Theorie antwortete Salvini mit dem ihm eigenen Hohn: "Gemach, es ist keine Invasion von Außerirdischen im Gang."

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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