Landwirtschaft:Endlich Einigung im Gülle-Streit

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Ein Feld wird mit Gülle gedüngt. Die Folgen sind oft hohe Nitratbelastungen. (Foto: Uli Deck/dpa)

Deutschland reißt die Nitrat-Grenzwerte im Grundwasser, solange es sie bereits gibt. Nach jahrelangem Streit billigt die EU-Kommission nun die deutschen Düngeregeln. Doch einigen Bundesländern gefällt das gar nicht.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Schriftwechsel rund um die hiesige Gülle füllen ganze Aktenordner, und diese Aktenordner ganze Regalreihen - was sich so ansammelt, wenn zwei Seiten jahrelang erbittert streiten. Schließlich gibt es die europäische Richtlinie, die das Grundwasser vor zu viel Nitrat schützen soll, schon seit 30 Jahren. Richtig umgesetzt allerdings wurde sie hierzulande nie - mit dem Ergebnis, dass sich Berlin und Brüssel vor dem Europäischen Gerichtshof wiedersahen. Die EU-Kommission siegte. Und jetzt das: Der Streit könnte ein Ende haben.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist die Kommission mit neuen Vorschlägen des Bundes zum Schutz des Grundwassers einverstanden. Allerdings mit dem Ergebnis, dass künftig deutlich mehr Flächen als belastet gelten. Statt auf bisher zwei Millionen Hektar Land müssten Landwirte künftig auf 2,9 Millionen Hektar mit weniger Dünger wirtschaften. Das sind 45 Prozent mehr als bislang. Diese Flächen gelten künftig als "rote", also besonders belastete Gebiete.

Deutschland reißt die Nitrat-Grenzwerte, solange es sie gibt. Mehr als ein Viertel aller Messstellen melden eine Verletzung des Grenzwertes, der bei 50 Milligramm je Liter Grundwasser liegt. Weil vor allem dort fleißig gedüngt wird, wo viel Gülle anfällt, ist der Norden mit seinen großen Ställen besonders betroffen.

Die "roten Gebiete" sollten helfen, das Problem zu beheben. Landwirte sollten in diesen Gebieten mit 20 Prozent weniger Dünger wirtschaften, sehr zum Ärger der Bauern. Sie bangten um Erträge und fühlten sich oft zu Unrecht gegängelt: Denn die betroffenen Betriebe in den roten Gebieten mussten nicht zwangsläufig die sein, die auch besonders achtlos Gülle auf ihren Äckern und Wiesen verteilten. Die großen Bauernproteste 2019 entzündeten sich auch an den Düngeregeln.

Dem kam 2020 eine "Allgemeine Verwaltungsvorschrift" entgegen, sie regelte die Umsetzung der Düngeregeln in den Ländern. Sie erlaubte eine komplizierte Modellierung aller möglichen Einflüsse. So blieb manche Gegend trotz überhöhter Werte frei von Auflagen - etwa unter der Annahme, dass unterirdische Grundwasserströme das Nitrat von außerhalb befördert hatten.

Deutschland drohte ein erneutes Verfahren vor dem EuGH

Nach Zahlen der EU-Kommission gelang das bei erstaunlich vielen Messstellen. Eine erste Bewertung habe ergeben, dass 80 Prozent der Messstellen mit überhöhten Nitratwerten "außerhalb der ausgewiesenen Gebiete liegen", schrieb EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius im vergangenen Juni an die Bundesregierung. Deutschland drohte ein erneutes Verfahren vor dem EuGH, diesmal aber mit empfindlichem Ausgang: Im Raum standen Strafen von mehr als 800 000 Euro pro Tag.

Mit der Modellierung, so sieht es nun eine Neufassung der Verwaltungsvorschrift vor, soll Schluss sein. Stattdessen soll das Messnetz der Länder, das die Qualität des Grundwassers erhebt, bis 2024 noch einmal "deutlich" verdichtet werden, wie es in einem Papier des Landwirtschaftsministeriums heißt. Auf Basis eines engmaschigeren Netzes sollen dann von 2028 an neue statistische Verfahren entstehen, die der wahren Nitrat-Belastung näherkommen. Und die sind dann Grundlage der "roten Gebiete".

Allerdings muss nun auch der Bundesrat der neuen Verordnung zustimmen. "Wir haben eine wichtige Etappe gemeistert", sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). "Aber wir sind noch nicht ganz am Ziel angekommen." Mehrere Länder, darunter Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, hatten schon Widerstand angekündigt, auch der Bauernverband ist nicht glücklich. Özdemir mahnt nach langem Streit zur Eile. "Wir sollten den Geduldsfaden nun auf den letzten Metern nicht überstrapazieren." Noch vor der Sommerpause sollen die neuen Regeln den Bundesrat passieren. Letztendlich, sagt der Grüne, sei das auch im Interesse der Landwirtinnen und Landwirte. "Sie waren viel zu lange Leidtragende einer unseligen Hinhaltetaktik."

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