Griechenland:Wie viel Zeit Athen noch bleibt

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Steht der griechischen Regierung das Wasser tatsächlich bis zum Hals? Immer wieder ist von "letzter Frist", "Deadline", "Tag der Entscheidung" die Rede. (Foto: AFP)
  • Am 20. August muss Griechenland mal wieder Schulden zurückzahlen, diesmal an die Europäische Zentralbank.
  • Eine Einigung auf neue Kredite ist bis dahin aber nicht dringend nötig. Es gibt noch eine unkomplizierte Möglichkeit eines Überbrückungskredits.
  • Zwist zwischen den Gläubigern könnte Athens Verhandlungsposition stärken.

Analyse von Jakob Schulz

Athener Schicksalstage

Die Geschichte der griechischen Schuldenkrise ist auch eine Geschichte der "Deadlines", der "letzten Fristen", der "Entscheidungen in letzter Sekunde". Stets geht es dabei um Zahlungsfristen. Griechenlands Regierung muss alte Kredite zurückzahlen, hat dafür aber meistens kein Geld. Anstehende Rückzahlungstermine werden so ein ums andere Mal zu "Schicksalstagen" stilisiert - und könnten es angesichts einer drohenden Staatspleite tatsächlich auch sein.

Aktuell verhandelt in Athen die griechische Regierung mit den Kreditgebern von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Rettungsfonds ESM. Es geht um ein neues Kreditpaket über 86 Milliarden Euro, auf das sich die Parteien im Juli in Grundzügen geeinigt haben. Voraussetzung dafür sind schnelle Reformen und detaillierte Reformversprechen.

Warum eine Einigung diesmal nicht drängt

Auch vor dem Hintergrund dieser Gespräche ist wieder von einem sogenannten Schicksalstag für Premier Alexis Tsipras und seine Regierung die Rede. Diesmal ist es der 20. August. Bis zu diesem Tag muss Athen gut drei Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Sollte Tsipras nicht zahlen, würde das sehr wahrscheinlich im Grexit, also im Austritt aus der Euro-Zone, münden. Der Grund: Fließt kein Geld auf die Konten der EZB, müsste die Zentralbank die den klammen griechischen Banken gewährten Notkredite (ELA) widerrufen und zurückfordern. Die Banken wären sofort pleite, die Regierung wäre zahlungsunfähig, müsste Schuldscheine ausgeben und die Euro-Zone verlassen.

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Dies wird aber wohl kaum passieren. Auch wenn Vertreter der griechischen Regierung, der EU-Kommission und anderer Parteien immer wieder eine Einigung vor dem 20. August beschwören - sie ist im Prinzip unnötig. Grund ist eine schon abgesegnete Brückenfinanzierung. Bis zu einer endgültigen Einigung auf ein Kreditpaket aus dem Euro-Rettungsfonds ESM gewähren die Kreditgeber Athen Milliardenkredite zur Überbrückung. Diese Gelder stammen aus dem ersten, eigentlich schon geschlossenen Fonds EFSM. In diesem Topf lagen im Juli noch gut 13 Milliarden Euro nicht abgerufene Mittel. In einer ersten Zahlung erhielt Griechenland im Juli etwa sieben Milliarden, mit denen Kredite etwa an den IWF zurückgezahlt wurden.

So bleiben weitere, dringend benötigte Milliarden verfügbar. Die könnten - wenn es noch keine Einigung auf Reformen und damit ESM-Kredite gibt - vor dem 20. August unkompliziert nach Athen fließen. Im Beschluss des Euro-Gipfels vom 12. Juli ist der Finanzierungsbedarf in Höhe von zusätzlich fünf Milliarden Euro schon aufgeführt. Diese Summe liegt noch im Fonds EFSM. Der Bundestag müsste dieser Brückenfinanzierung nicht mehr zustimmen. Das Bundesfinanzministerium äußerte zuletzt Sympathie für ein solches Vorgehen. Auch in der Bundesregierung war kein Drang zur Eile zu erkennen. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagte etwa Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Streitpunkte der Verhandlungen

Ungeachtet dessen kommen die Gespräche über Reformen offenbar gut voran. Regelmäßig melden sich Vertreter der griechischen Seite voller Optimismus zu Wort. Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis sagte am Sonntag, dass sich beide Seiten der Zielgeraden näherten. Auch EU-Diplomaten waren zuversichtlich. Am Wochenende war die Rede davon, dass schon am Dienstag der Entwurf einer Grundsatzvereinbarung stehen könnte. Nach diesem Zeitplan könnte das Parlament in Athen am Donnerstag abstimmen, andere europäische Parlamente könnten in den Tagen darauf folgen.

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Deutschland angeblich isoliert

Griechenland könnte in den Verhandlungen davon profitieren, dass die Kreditgeber untereinander zunehmend zerstritten sind - oder zumindest gegensätzlicher Meinung. Deutschland wehrt sich, vor allem in Person von Finanzminister Wolfgang Schäuble, vehement gegen Schuldenerleichterungen für Athen. Er beharrte sogar noch nach einer grundsätzlichen Einigung auf einem Grexit auf Zeit. Kanzlerin Angela Merkel äußert sich vorsichtiger, teilt die Ansichten Schäubles aber offenbar im Prinzip.

Eine große Kluft besteht damit zum Währungsfonds IWF. Direktorin Christine Lagarde betont immer wieder, dass sie Schuldenerleichterungen für Griechenland für zwingend nötig hält - und als Voraussetzung dafür, dass sich auch der Währungsfonds an einem neuen Kreditprogramm beteiligt.

Eine IWF-Beteilung wiederum halten Dutzende Abgeordnete von CDU und CSU für entscheidend, sollten sie einem weiteren Kreditprogramm für Athen im Bundestag zustimmen. Die Stimmung in der Unionsfraktion wird dabei immer schlechter. Erst am Wochenende geriet Fraktionschef Volker Kauder in die Kritik. Er drohte, dass Unionsabgeordnete, die den Kurs der Regierung nicht mittragen, Posten in wichtigen Ausschüssen verlieren könnten. Zahlreiche CDU-Politiker kritisierten das scharf.

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