Griechenland:"Viele Beamte erschienen nur hin und wieder"

Bernd Loppow

Bernd Loppow war 1983 Praktikant im griechischen Landwirtschaftsministerium. Heute arbeitet er als Reiseveranstalter.

(Foto: Privat)

Feta kam aus Dänemark, Beamte fuhren Taxi: Als Praktikant arbeitete Bernd Loppow in den 1980ern in einem Athener Ministerium. Sein Mängel-Bericht von damals liest sich beängstigend aktuell.

Interview von Ruth Fulterer

Als Student macht Bernd Loppow im August 1983 ein Praktikum im griechischen Landwirtschaftsministerium - und ist erstaunt. Mitarbeiter erscheinen nicht zur Arbeit, fahren nebenbei Taxi oder sind unqualifiziert. In einer Seminararbeit listet er die Mängel der griechischen Wirtschaft detailliert auf. Er bemängelt die fehlende Wettbewerbsfähigkeit vieler Wirtschaftssektoren und das Versagen der griechischen Politiker und Eliten. 1986 schreibt er als Praktikant für die Wochenzeitung Die Zeit über seine Erfahrungen in Athen. Fast 30 Jahre später liest sich sein Bericht ausgesprochen aktuell.

SZ: Wie sind Sie in den 1980er Jahren auf die Idee gekommen, ein Praktikum im griechischen Landwirtschaftsministerium zu machen?

Bernd Loppow: Ich studierte in Hamburg Volkswirtschaft und war im Rahmen meines Studiums bei einem Vortrag des griechischen Landwirtschaftsministers Konstantinos Simitis, den mein Professor eingeladen hatte. Im Anschluss fragte ich ihn, ob ich nicht einmal ein Praktikum bei ihm in Athen machen könnte, in seinem Ministerium. Und er willigte ein.

Was haben Sie dort gemacht?

Ich bekam einen Schreibtisch und konnte die Mitarbeiter des Ministeriums über ihre Aufgaben befragen. Aus diesen Erkenntnissen habe ich dann eine Seminararbeit für mein Studium geschrieben.

Welche Probleme fielen Ihnen auf?

Die Liste der Probleme war lang. Im Ministerium konnte ich den Umgang mit staatlichen Stellen miterleben: Es waren viel mehr Stellen im Ministerium ausgewiesen, als Menschen da waren. Ich hab mich immer gewundert, wo all die Leute sind und bekam später mit, dass viele, wenn überhaupt, nur hin und wieder erschienen und nebenbei Taxi fuhren oder andere Jobs machten. Staatsstellen wurden als Wahlgeschenke vergeben. Das war damals so üblich.

Meine Erkenntnis war außerdem, dass Griechenland viel zu früh in die Europäische Gemeinschaft (Europäische Gemeinschaft (EG): Staatenbündnis, aus dem später die EU hervorging; Anm. d. Red.) integriert wurde. Die griechische Landwirtschaft war auf die ungeschützte Konkurrenz durch ausländische Produkte nicht vorbereitet. Es wurde zum Beispiel massenweise Feta-Käse aus Dänemark importiert. Griechenland profitierte stark von EU-Geldern. Aber das Geld wurde nicht für Investitionen und Strukturreformen genutzt, sondern für Konsumausgaben, oder es versickerte in der Verwaltung.

Sie haben Ihre Erkenntnisse drei Jahre später als Praktikant bei der Zeit verarbeitet - waren Sie allein mit Ihrer Meinung zu Griechenland?

Jedem ökonomisch halbwegs gebildeten Menschen mussten die Probleme schon damals auffallen. Die Politik wollte es aber nicht wahrhaben. Man wollte Griechenland in der EG haben - wegen seines symbolischen Werts als Mutterland der Demokratie. Und die Zeiten waren gut für die europäische Wirtschaft. Man dachte sich wohl, Griechenland ziehen wir problemlos mit durch.

Ende der 1990er war umstritten, ob Griechenland in den Euro darf. Was haben Sie damals in der Frage gedacht?

Ich dachte, hoffentlich schauen die Verantwortlichen diesmal besser hin. Das haben sie aber nicht gemacht. Auch ich habe gedacht, irgendwie wird es schon weitergehen. Mir war aber bewusst, dass es ohne wirkliche Strukturreformen langfristig nicht funktionieren kann.

Seit dem Jahr 2002 arbeite ich nicht mehr als Journalist sondern habe einen Reiseveranstalter gegründet. Griechenland gehörte von Anfang an zu unserem Angebot. Auch persönlich hat mich das Land immer interessiert, ich habe viele Urlaube dort verbracht.

Was glauben Sie, wie es nun weitergeht?

Heute kann ich nur sagen, was ich mir für Griechenland wünsche. Das wäre zum einen, dass das Land, die Menschen und die Wirtschaft nicht durch die Maßnahmen der EU stranguliert werden.

Auf der anderen Seite müssen parallel wichtige Strukturreformen durchgeführt werden: Unter anderem braucht es eine vollkommene Neustrukturierung des griechischen Steuersystems, was eine Herkulesaufgabe ist.

Wie soll das funktionieren?

Ich könnte mir vorstellen, dass eine gemeinsame Task-Force gegründet wird, wo die besten Köpfe aus Griechenland und aus Brüssel gemeinsam die Situation noch einmal grundsätzlich analysieren und Reformen durchsetzen. Im Übrigen kann jeder Einzelne zur Rettung Griechenlands beitragen, indem man dorthin in den Urlaub fährt. Die Griechen sind nach wie vor ein unglaublich gastfreundliches Volk und das Land ist wunderschön. Wichtig ist, dass die Griechen Geld verdienen. Und der Tourismus ist immer noch eine tragende Säule der griechischen Wirtschaft.

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