Gesundheitspolitik:Kliniken protestieren gegen Sparzwang

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Krankenhäuser in Geldnot: Wegen der Kürzungen der schwarz-gelben Koalition kämpfen die Kliniken mit argen Finanzproblemen, während die Kassen geradezu im Geld schwimmen. Von der Politik wurden die Hilferufe bislang überhört, doch jetzt haben die Krankenhäuser einen Proteststurm angekündigt - mitten im NRW-Wahlkampf.

Guido Bohsem

Was Georg Baum da ausspricht, ist nichts anderes als eine Kriegserklärung an die schwarz-gelbe Koalition. "Wir lassen uns das nicht mehr gefallen", entrüstet sich der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). In der kommenden Woche wollen die gut 2000 Kliniken in Deutschland in einer breit angelegten Anzeigenkampagne gegen Sparauflagen der Regierung protestieren. Mitten im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen rufen sie in Düsseldorf zu einer Großkundgebung auf. FDP und Union müssten die Sparauflagen lockern, betont Baum. "Das ist verfassungsrechtlich geboten."

Die Kliniken in Deutschland wehren sich. In einer breit angelegten Anzeigenkampagne protestieren sie gegen die Sparauflagen der Bundesregierung. (Foto: dpa)

Hintergrund des Protests sind die Sparauflagen aus dem Jahr 2010. Damals drohte den gesetzlichen Krankenkassen ein gigantisches Defizit. Auf bis zu 15 Milliarden Euro bezifferten Experten die Finanzierungslücke. Um dagegen vorzugehen, hob die Koalition die Beiträge um 0,6 Punkte auf 15,5 Prozent an, sie kürzte bei der Pharmaindustrie, bei den Apothekern, dem Medikamente-Großhandel und sie begrenzte die Zuwachsraten bei Ärzten und Krankenhäusern.

Die Krankenhäuser mussten deshalb 2011 auf 150 Millionen und 2012 auf zusätzlich 300 Millionen Euro verzichten. Durch die jüngsten Tarifabschlüsse ergibt sich laut DKG eine Deckungslücke von knapp einer Milliarde Euro. Und die Kassen? Durch die Rettungsaktion der Koalition und die gute Konjunktur schwimmen sie in Geld. Statt eines Defizits schlummern dort Reserven von knapp 20 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds und in den Kassen.

Die Sparauflagen sollen aber nach Aussagen der Koalition weiterhin Bestand haben. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn warnte vor einem leichtfertigen Umgang mit dem Finanzpolster. Erstmals seit vielen Jahren gebe es Aussicht auf Verlässlichkeit in der mittelfristigen Finanzplanung des Gesundheitssystems. Deshalb stehe die Unionsfraktion ohne Einschränkung zu den beschlossenen Sparmaßnahmen.

"Kürzungen sind verfassungswidrig"

Für DKG-Hauptgeschäftsführer Baum ist das ein Skandal und ein offener Verfassungsbruch. Baum verweist dabei auf ein Rechtsgutachten, das der Berliner Staatsrechtler Helge Sodan im Auftrag der DKG erstellt hat. Der Wissenschaftler kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Kürzungen durch die gute Entwicklung bei den Kassen verfassungswidrig geworden sei.

"Aufgrund der grundlegenden Änderung der Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung, welche derzeit über Reserven von fast 20 Milliarden Euro verfügt, haben sich die tatsächlichen Verhältnisse erheblich gewandelt, so dass der Gesetzgeber hier eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht hat", heißt es in dem Gutachten. Da das Ziel einer finanziellen Stabilisierung der GKV inzwischen erreicht wurde, seien die Sparauflagen für die Krankenhäuser unzumutbar. Der Gesetzgeber müsse die Regelung deshalb nachbessern und die Vorschrift umgehend aufheben.

Schon seit Jahren argumentiert die DKG, dass jedes dritte Krankenhaus rote Zahlen schreibt und vor der Pleite stehe. Gesundheitsökonomen kritisieren hingegen immer wieder, dass es in Deutschland zu viele Kliniken gibt. Sie verweisen dabei auf andere europäische Länder, in denen es eine deutlich geringere Anzahl von Krankenhausbetten pro Einwohner gebe.

Die Koalition ist eher an einer Entlastung der Beitragszahler interessiert, kommt aber nicht zu einem Ergebnis. Spahn forderte die Kassen auf, die Überschüsse an ihre Mitglieder weiterzugeben. "Die teilweise enormen Rücklagen sollten in Form von Prämien ausgeschüttet werden", sagte er. "Das ist das Geld der Versicherten."

Bahr hingegen bekräftigte seine Forderung nach einer Abschaffung der Praxisgebühr, die Patienten pro Jahr mit etwa zwei Milliarden Euro belastet. Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel wies dies zurück. FDP-Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle schlug in der Hamburger Morgenpost vor, als Alternative zur Abschaffung die Praxisgebühr für zwei bis drei Jahre auszusetzen.

© SZ vom 14.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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