Alle wollen die Kassenmilliarden: Politiker wollen weniger Steuergeld ins System zuschießen. Die Kassen sagen, sie brauchen die Rücklagen. Ärzte fordern die Abschaffung der Praxisgebühr. Kliniken wollen weniger sparen. Seit diesem Mittwoch ist offiziell, um wie viel Geld es geht: Die gesetzlichen Krankenkassen haben 2011 mit einem satten Plus von vier Milliarden Euro abgeschlossen. Das geht aus den vorläufigen Finanzergebnissen für das vergangene Jahr hervor, die das Gesundheitsministerium veröffentlicht hat.
2010 hatten die Kassen einen Verlust von 390 Millionen Euro verbucht. Mit hohen Gewinnen für das vergangene Jahr war bereits gerechnet worden, aber erst jetzt ist es amtlich: Die gesetzlichen Versicherer horten noch mehr Milliarden als angenommen.
Zusammen mit den Reserven von sechs Milliarden Euro, die die Versicherer schon bis Ende 2010 angehäuft hatten, verfügen die Krankenkassen nun über Rücklagen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro.
Die Gesamtreserven im System betragen 19,5 Milliarden Euro. Sie verteilen sich auf die einzelnen Kassen und den Gesundheitsfonds, über den die Beitrags- und Steuermilliarden gesammelt und verteilt werden. Das Finanzpolster der Kassen gibt das Ministerium für Ende 2011 mit etwa zehn Milliarden Euro an. Der Gesundheitsfonds habe eine Liquiditätsreserve von rund 9,5 Milliarden Euro.
Das Bundesgesundheitsministerium sieht nun bei einzelnen Krankenkassen Spielraum für Prämienrückzahlungen an Versicherte. Bei "etlichen Krankenkassen" seien die Rücklagen höher als zur Risikoabsicherung nötig. Dort gebe es Spielräume für eine Auszahlung von Prämien an die Versicherten. "Diese Krankenkassen sind gefordert, intensiv zu prüfen, ob vorhandene Prämienpotentiale an ihre Mitglieder weiterzugeben sind", erklärte das Ministerium.
Möglicherweise haben etwa 30 Kassen ausreichende Überschüsse, um ihren Mitgliedern gezahlte Beiträge zurückzuzahlen. 13 Millionen Versicherte könnten so in den Genuss von Prämien kommen.
Die höchsten Überschüsse verzeichneten den Angaben zufolge die AOK-Versicherungen und die Ersatzkassen mit jeweils mehr als einer Milliarde Euro.
Bahr gegen die Haushaltspolitiker
Wegen der hohen Überschüsse halten auch die Grünen eine Entlastung von Beitragszahlern für angebracht. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, unterstützte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in seinem Aufruf an die Versicherer, ihren Mitgliedern Geld zurückzuzahlen. "Krankenkassen sind keine Sparkassen, deshalb sollen die Kassen, die es können, überschüssige Prämien an die Versicherten ausschütten", sagte Künast. Wichtig sei aber, dass nicht mehr ausgezahlt werde, als mittelfristig gut sei.
Zu dem Plus der Kassen kommen noch die Beitragseinnahmen und Steuergeld hinzu, die der 2009 eingerichtete Gesundheitsfonds eingenommen, aber nicht an die Kassen ausgeschüttet hat. Ende 2011 sind das nach Angaben aus Regierungskreisen 9,5 Milliarden Euro gewesen. Damit würden sich die Reserven in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar auf fast 20 Milliarden Euro steigern.
Beobachter erwarten allerdings, dass Bundesgesundheitsminister Bahr das Milliardenpolster des Gesundheitsfonds gegen Forderungen von Haushaltpolitikern der Koalition verteidigen will. 2013 sollen nach bisherigen Plänen wie im laufenden Jahr wieder 14 Milliarden Euro aus Steuermitteln an den Fonds fließen. Künast sagte dazu, der Fonds dürfe nicht zur "Wahlkampfkasse der FDP" werden.
In der CSU ist man der Meinung, das überschüssige Geld solle besser bei den Kassen bleiben. Die Milliarden dürfen nach Ansicht des bayerischen Gesundheitsministers Marcel Huber nicht leichtfertig ausgegeben werden. "Mit den jetzigen Überschüssen müssen Rücklagen für schwierigere Zeiten gebildet werden", erklärte Huber in München. Prognosen zufolge hätten die Kassen schon dieses Jahr keine Überschüsse mehr zu erwarten. 2013 müssten die Krankenkassen sogar wieder mit einem Minus rechnen.