Finanzkriminalität:Deutschland bleibt ein Paradies für Geldwäscher

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Polizisten durchsuchen ein Gebäude in Düsseldorf im Zuge des landesweiten Polizeieinsatzes gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. (Foto: Roberto Pfeil/picture alliance/dpa/dp)

Ein internationales Expertengremium attestiert Deutschland große Defizite im Kampf gegen Geldwäsche. Vor allem bei der Strafverfolgung hapert es.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Deutschland muss seinen Kampf gegen Geldwäsche deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt das oberste internationale Anti-Geldwäsche-Gremium Financial Action Task Force (FATF) in seinem Deutschlandbericht, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die Experten bemängeln das Kompetenzwirrwarr von über 300 Behörden, sehen Defizite bei der Überwachung des Bargeldschmuggels und beklagen insgesamt, dass Deutschlands zuständige Behörden viel zu wenig tun, um die Finanztransaktionen großer Verbrechersyndikate zu ermitteln und gerichtlich zu verurteilen.

Für die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung ist das Bundesfinanzministerium zuständig. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat am Mittwoch ein Eckpunktepapier zur Reform der Bekämpfung der Finanzkriminalität präsentiert. Er sprach von einem "Paradigmenwechsel", man wolle künftig die "großen Fische" jagen. Allerdings müssen die Vorschläge wie der Aufbau eines Bundesfinanzkriminalamts noch mit Leben gefüllt werden. Es stehen Verhandlungen mit den Koalitionspartnern und den zuständigen Ministern der Bundesländer an. Mit einem Gesetzesvorschlag wird im Frühjahr 2023 gerechnet.

Die FATF wurde 1989 von den G-7 und der Europäischen Kommission gegründet. Heute verzeichnet die zwischenstaatliche Organisation 37 Mitgliedsstaaten plus die EU-Kommission und den Golf-Kooperationsrat. Das Sekretariat der Organisation befindet sich bei der OECD in Paris. Weltweit haben sich über 180 Länder verpflichtet, die 40 FATF-Empfehlungen zu übernehmen, deren Umsetzung in nationales Recht von internationalen Gutachtern regelmäßig überprüft und beurteilt wird - so auch jetzt im Deutschlandbericht. Man hat sich hier lange Zeit kaum um die Geldwäschebekämpfung gekümmert. Folgerichtig war das erste FATF-Prüfungsergebnis für Deutschland im Jahr 2010 noch deutlich desaströser ausgefallen.

"Deutschland fängt sich erneut Kritik für seine schlechte Geldwäschebekämpfung ein. Vor allem bei den komplexeren und größeren Fällen ist Deutschland noch zu schwach aufgestellt", sagt Konrad Duffy, Referent Finanzkriminalität bei der Bürgerbewegung Finanzwende. Lindner tritt in großen Teilen das Erbe von Olaf Scholz (SPD) an. Der jetzige Bundeskanzler hatte in seiner Zeit als Bundesfinanzminister in der Merkel-Regierung sogar ein Verbot von Bargeldzahlungen für Immobilienkäufe abgelehnt.

Geldwäscher müssen den deutschen Rechtsstaat kaum fürchten

Der FATF-Bericht mit 320 Seiten unterscheidet zwei Ebenen: Zum einen bewerten die Experten die Geldwäschebekämpfung im technischen Sinne: Inwieweit hat Deutschland die empfohlenen Gesetze zur Geldwäschebekämpfung formal verabschiedet? Hier erhielt die Bundesregierung für die Umsetzung der 40 Empfehlungen gute Noten. Zum anderen beleuchten die Experten, wie effektiv die Maßnahmen sind. Dieser Aspekt ist bei der Bewertung der "Geldwäscheresilienz" viel wichtiger, denn hier geht es darum, ob die Gesetze auch wirken: Da geht es um die personelle Ausstattung, um effizienten Austausch zwischen den Behörden, Ermittlungen und Verurteilungen. Hier hat Deutschland bei dem in elf Bereiche gegliederten Effektivitätsmaßstab schlecht abgeschnitten. Bei sieben der elf Bereiche erhielt man die Note drei auf einer Skala von vier. Weitreichende Verbesserungen sind also nötig: Deutschland steht jetzt unter verschärfter Beobachtung und muss die FATF einmal jährlich über Fortschritte unterrichten.

Geldwäscher in Deutschland müssen bislang keine Angst vor dem Rechtsstaat haben: Die wenigsten der vielen Tausend Verdachtsmeldungen, die die Sammelstelle Financial Intelligence Unit (FIU) jedes Jahr an die Behörden weiterleitet, führen zu knallharten Ermittlungsverfahren. Von rund 36 000 Geldwäscheverfahren 2020 mündeten nur 629 in eine Anklage und 773 in einen Strafbefehl. "Auch andere Statistiken stützen die Schlussfolgerung, dass die Gesamtzahl der Geldwäscheverfahren gering erscheint, wenn man bedenkt, dass Deutschland ein wichtiges Finanz- und Wirtschaftszentrum ist", so die FATF.

Das Strafmaß für Geldwäsche in Deutschland reicht von einer Geldstrafe bis hin zu Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu 15 Jahren, wenn der Geldwäsche schwere Straftaten vorausgehen. Wurde 2020 doch mal jemand verurteilt, erhielten 78 Prozent eine Geldstrafe und 13 Prozent eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr. Nur drei Personen wurden zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt. "Bei der Bekämpfung von Geldwäsche gebe es hierzulande weiterhin erhebliche Defizite", sagt Stephan K. Ohme, Finanzexperte von Transparency Deutschland. "Schmutziges Geld von Organisierter Kriminalität und Autokraten weltweit findet in Deutschland einen sicheren Hafen."

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