Geldanlage:"Es ist noch immer sehr viel Geld im Markt"

Lesezeit: 3 min

Nach dem Euro-Gipfel haben sich die Finanzmärkte vorerst etwas beruhigt. Die angekündigten Soforthilfen für Spanien und Italien und der Wachstumspakt waren konkretere Ergebnisse, als viele Investoren erwartet hatten. Doch es ist ungewiss, wie lange diese Stimmung hält. Was Anleger jetzt wissen müssen.

Andreas Jalsovec

Am letzten Handelstag im Juni hatten die Börsianer dann doch noch ein wenig Spaß - und das sorgte auch gleich für steigende Kurse. Mit Erleichterung reagierten die Aktienmärkte am Freitag auf die Beschlüsse, die in der Nacht zuvor auf dem Euro-Gipfel gefallen waren. Gleich am Morgen legte der Deutsche Aktienindex (Dax) kräftig zu. Auch der Kurs des Euro machte nach einer tagelangen Abwärtsbewegung einen deutlichen Sprung nach oben.

"Die Märkte hatten sich vom Gipfel nicht viel erhofft", meint Werner Bader, Leiter der Aktienstrategie bei der Landesbank Baden-Württemberg. "Dann kam aber doch mehr dabei heraus, als erwartet worden war." Ein 120 Milliarden schwerer Wachstumspakt, Hilfe für Spanien und Italien: Für die Finanzmärkte war das Grund genug, nach einem schwierigen Monat wieder Hoffnung zu schöpfen.

Doch ob der Gipfel-Optimismus lange anhält, ist fraglich. "Nächste Woche dürften schon wieder Fragezeichen auftauchen, wenn es um die Zukunft des Euro geht", befürchtet Aktienstratege Bader. "Der Markt wird wegen der Gipfel-Beschlüsse nicht drehen."

Immerhin: Der Kurssprung am letzten Handelstag im Juni verhalf dem Dax erstmals nach zwei Monaten wieder zu einem leichten Plus. Noch im Mai war der Index so stark eingebrochen wie nie zuvor in diesem Monat. Im Juni sah es ebenfalls lange nach einem Minus aus - nicht nur wegen der Probleme in der Euro-Zone.

Auch die Angst vor einem Einbruch der Konjunktur stimmt die Anleger skeptisch. Euro-Land schwächelt, Spanien und Italien stecken in der Rezession. Der Aufschwung in den USA hat sich deutlich verlangsamt, ebenso in vielen Schwellenländern - allen voran China. Erstmals seit drei Jahren senkte die Notenbank dort die Zinsen.

Finger weg also von Aktien? Nicht unbedingt. "Es ist noch immer sehr viel Geld im Markt", sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt bei der Vermögensverwaltung Assenagon. "Und es gibt derzeit nicht viele Alternativen zu den Dividendenpapieren." So lässt sich zumindest an jenen Anleihenmärkten, die Sicherheit bieten, nach wie vor nur sehr schwer etwas verdienen. Das spricht für Aktien.

Überdies wirkt sich die Abkühlung der Konjunktur nicht nur nachteilig auf die Unternehmen aus. Der Ölpreis ist seit Anfang April um fast ein Drittel gefallen. Auch andere Industrie-Rohstoffe sind deutlich günstiger geworden. Das senkt die Kosten der Firmen und verbessert deren Gewinnsituation.

Experte Bader erwartet daher trotz negativer Signale bei der Konjunktur keine größere Belastung durch die bevorstehenden Quartalsdaten. "Der Markt hat sich bereits auf schwächere Zahlen eingestellt." Ähnlich denkt Martin Hüfner. Sein Fazit: "Im Augenblick ist es kein Fehler, in Aktien investiert zu haben."

Das glaubt auch Udo Schindler. "Allerdings sollte man viel Vorsicht walten lassen", rät der Chef der Nürnberger KSW-Vermögensverwaltung. Ein Aktienanteil im Depot von einem Viertel sei ausreichend. Die starken Schwankungen an den Börsen bleiben Anlegern in den kommenden Monaten erhalten, meint der Vermögensplaner: "Die Unsicherheit im Markt bleibt bestehen." Schindler hält es durchaus für möglich, dass die Kurse noch einmal kräftig nachgeben.

Anleger sollten sich deshalb absichern - etwa indem sie in Währungen außerhalb des Euro-Raums investieren. Von türkischer Lira bis zum japanischen Yen haben sie fast alle in den vergangenen Monaten gegenüber dem Euro zugelegt. Profitieren können Anleger davon, indem sie Aktien dividendenstarker Firmen aus Nicht-Euro-Ländern kaufen - oder Staatsanleihen und Rentenfonds, die dort ihr Geld anlegen, beispielsweise in Nordeuropa. "Wer dem Euro nicht traut, muss sein Vermögen streuen", meint Udo Schindler.

"Goldbarren sind ein Muss"

Dazu gehört für ihn auch ein zehnprozentiger Goldanteil im Depot. Kollabiert der Euro, käme auch der Dollar nicht ungeschoren davon, glaubt Schindler. Gold sei daher noch immer ein Muss: "Am besten physisch, in Form von Barren."

Immobilien sind dagegen für ihn kein Thema mehr: "Um ein Haus oder eine Wohnung als Geldanlage zu kaufen, dafür ist es bei den derzeit hohen Immobilienpreisen ein wenig spät." Dies gilt umso mehr, als zuletzt auch die historisch niedrigen Baukreditzinsen leicht angezogen haben. Sie dürften mittelfristig weiter ansteigen, heißt es am Markt - auch als Reaktion auf die Preisblase, die es in Ballungsgebieten bei den Immobilien bereits gibt.

Stattdessen raten die Experten einhellig dazu, einen vergleichsweise hohen Anteil an schnell verfügbaren Barmitteln zu halten. Dazu freilich muss die Deutschen keiner lange überreden. So zeigt die jüngste Statistik des Bankenverbands: Die Summe, welche die Anleger in Spareinlagen horten, auf ihrem Girokonto liegen lassen oder als Bargeld halten, liegt derzeit bei fast zwei Billionen Euro. Das sind 40 Prozent des gesamten Geldvermögens. So hoch war dieser Anteil noch nie.

Auf Rekordniveau liegt demnach aber auch der Verlust, den die Sparer Tag für Tag hinnehmen müssen, weil die Inflation kräftig an diesen Einlagen nagt. Bei einem Durchschnittszins dafür von einem Prozent und einer Teuerung von knapp zwei Prozent gehen den Anlegern dabei täglich insgesamt gut 50 Millionen Euro an Kaufkraft verloren.

© SZ vom 30.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: