Fairer Lohn:Junge Menschen müssen endlich offener übers Geld reden

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Sieht toll aus - aber reicht das? Gerade die jüngere Generation will lieber Transparenz als schicke Büros. (Foto: imago/Westend61)

Übers Gehalt spricht man nicht, zumindest nicht in Deutschland. Darunter leiden auch Berufseinsteiger. Zeit für mehr Courage - von der auch Unternehmen profitieren könnten.

Kommentar von Sophie Kobel

In einer Beziehung erfährt man über die Jahre hinweg ja vieles voneinander: Welche familiären Dramen einen geprägt haben, ob man sich Kinder wünscht, auch welche sexuellen Vorlieben der oder die andere hat. Aber nur die Hälfte der Ehepaare in Deutschland weiß, wie viel der oder die andere verdient. Und im beruflichen Umfeld sieht es noch schlechter aus: Nur rund ein Fünftel der Befragten weiß demnach, wie viel die Kollegin oder der Kollege am Schreibtisch nebenan bekommt.

Gerade für jene, die beim Gehalt oft zu kurz kommen, ist das ein Problem. Neben Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderung und fast allen Frauen sind das vor allem Berufseinsteiger. Denn wer den eigenen Marktwert nicht kennt, lässt sich bei Gehaltsverhandlungen eher kleinhalten - besonders wenn man noch nie richtiges Gehalt bekommen hat und gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Klar ist aber: Wer zu niedrig anfängt, hat einen noch weiteren Weg vor sich bis zu einem guten Einkommen.

Doch es geht nicht nur um die arbeitenden Menschen, auch Unternehmen verpassen eine große Chance, wenn Gespräche übers Gehalt ein Tabu sind. In Zeiten des Fachkräftemangels könnten sie junge Menschen mit fairen und transparenten Löhnen für sich gewinnen. Warum also nicht endlich die Gehaltsabrechnungen auf den Tisch legen? Denn fest steht: Gerade junge Menschen schätzen Transparenz mehr als die Generationen zuvor, das belegen Studien. Sie wollen wissen, wo sie stehen. Und sie wollen das Gefühl haben, fair behandelt zu werden: Danach, wer engagiert arbeitet - und nicht, wer am lautesten schreit.

Wer sich in Deutschland auf einen Job bewirbt, kennt das künftige Gehalt oft noch nicht. Für gut 40 Prozent der Stellen gilt zwar ein Tarifvertrag, damit sind die Spielregeln hier einigermaßen klar. Umgekehrt heißt das aber auch: In fast 60 Prozent der Fälle hängt alles vom Bewerber ab. Um sich für eine bessere Bezahlung einsetzen zu können, müssten gerade Berufseinsteiger aber wissen, was gleichgestellte Kollegen verdienen. Doch nachzufragen ist gar nicht so leicht.

Alle wollen Mittelschicht sein, keiner übers Geld reden - dabei lägen hier so viele Chancen

Irritierte Blicke gibt es oft ja schon, wenn man bei einem entspannten Feierabendbier langjährige Kollegen oder Freunde fragt, wie viel die denn so verdienen. Denn wohl fühlen sich viele nicht nach dieser Frage. Hat man das Gefühl, zu wenig zu verdienen, schämt man sich schnell. Es könnte ja an der eigenen Leistung liegen. Doch noch viel eher schweigen jene, die viel verdienen. Zu groß ist die Angst vor Neid. In Deutschland rechnen sich sogar Menschen aus hohen und niedrigen Gehaltsklassen tendenziell der Mittelschicht zu. Selbst der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der gerne im eigenen Privatflieger verreist, bezeichnet sich als gehobene Mittelschicht. Bloß nicht auffallen.

Hinzu kommt das schlechte Gewissen. Hört man, wie viel weniger andere verdienen, spüren viele: Das eigene Gehalt ist nicht gerechtfertigt gegenüber Mitmenschen wie etwa Pflegekräften, die durch ihren Beruf unser Sozialsystem zusammenhalten und trotzdem nur ein Viertel dessen verdienen, was es für den Verkauf von Software oder die Verteidigung von Großkonzernen vor Gericht gibt.

Doch diese Ungerechtigkeit ist strukturell und nicht vom Einzelnen verschuldet, darum ist Scham auch nicht angebracht. Und es ist absolut nachvollziehbar, dass junge Menschen sich - gerade in Zeiten der Krise - gut bezahlte Branchen aussuchen. Über all das ließe sich reden. Stattdessen aber leben viele lieber weiter nach dem deutschen Credo, das alle Diskussionen verhindert: "Über Geld spricht man nicht."

Es ist vor allem an der Jugend, daran etwas zu ändern. Denn das deutsche Transparenzgesetz, das Einsicht in die Gehälter anderer erlauben soll, liest sich wie ein schlechter Scherz, so selten greift es. Ganz abgesehen davon, wie unwohl sich ein Neuling in einem Unternehmen fühlt, der diese Einsicht wirklich einfordert. Wer sich als guter Arbeitgeber präsentieren will, sollte nicht auf irgendwelche Rechte pochen und sich verklagen lassen. Oder auf Tischkicker und After-Work-Getränke setzen, womit sich viele Angestellte eher veräppelt vorkommen. Attraktiv ist, wenn sich die Gehälter im Haus an der Professionalität orientieren. Und nicht daran, wer die spitzesten Ellenbogen hat.

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