GDL-Chef Claus Weselsky:Der Streikmacher

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Auf Krawall gebürstet: Claus Weselsky hat den langen Arbeitskampf der Lokführer 2007 organisiert. Damals war er noch Vizechef der Gewerkschaft, jetzt steht er an der Spitze.

Detlef Esslinger

Er hat einen Job, der einen nicht reich, wohl aber vorübergehend berühmt machen kann. Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) zu sein, das bedeutet, entweder sehr im Verborgenen oder sehr in der Öffentlichkeit zu stehen. In seinen ersten drei Jahren hat Claus Weselsky, 52, vorwiegend die erste Variante erlebt; was er tat oder ließ, interessierte selten mehr Menschen als die 34.000 Mitglieder seiner Organisation. In den nächsten Wochen jedoch dürften es Millionen von Menschen sein, und wahrscheinlich werden sich viele fragen: Die Lokführer werden doch wohl nicht wieder so ein Spektakel veranstalten wie damals?

Sachse - und Eisenbahner aus Leidenschaft: Claus Weselsky. (Foto: dpa)

Sie werden. Jedenfalls ist der Tarifkonflikt mindestens so kompliziert wie der, der vor vier Jahren elf Monate lang das Land beschäftigte. Damals ging es darum, dass die GDL gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen Bahn (DB) einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokomotivführer dort durchsetzen wollte; was ihr am Ende auch gelang. Diesmal geht es darum, dass sie einen solchen Tarifvertrag nicht nur für die Lokführer der DB, sondern auch für die der Konkurrenten durchsetzen will. Wieder ist sie in der Situation, dass sie ihren Tarifvertrag abschließt, nachdem sich die für alle anderen Bahn-Beschäftigten zuständige "Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft" (EVG) mit der Arbeitgeberseite auf einen solchen Tarifvertrag geeinigt hat. Wieder hat sich bei der GDL der Eindruck verfestigt, dass sie in diesen Vertrag hineingezwungen werden soll. Claus Weselsky sagt: "Das hat schon 2007 nicht funktioniert, und das funktioniert auch 2011 nicht."

Der Mann meint das genau so, wie er es sagt. In der legendären Auseinandersetzung von damals war er der Vize, der das Berühmtsein dem damaligen GDL-Chef Manfred Schell überließ, einem im Grunde liebenswürdigen, aber zu Explosionen neigenden Mann, der sich mit dem damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn einen Wettbewerb lieferte, wer denn der bessere Louis de Funès von beiden sei. Schell beschimpfte Mehdorn öffentlich als Rumpelstilzchen, Mehdorn hielt sich bei einem Schlichtungstermin die Nase zu und lief im Kreis um Schell herum; er wollte zum Ausdruck bringen: Dieser Kerl hier will mich doch nur am Nasenring durch die Manege ziehen.

In Wahrheit war es Weselsky, der Schell zog. Wenn dieser des Kämpfens müde war und um des lieben Friedens willen unterschreiben wollte, war es der Vize, der im Hintergrund nein sagte; der darauf hinwies, die Bahn trickse die Lokführer gerade mit einem Tarifvertrag aus, der zwar so heiße, aber keiner sei. Für Weselsky zeichnet sich ein guter Tarifvertrag dadurch aus, dass er immer auch Antworten auf Probleme findet, die nur Lokführer haben. Darin gründet ja die Legitimation einer kleinen Berufsgewerkschaft, die ihren Chef analog zur Besoldungsgruppe A16 bezahlt; für Weselsky dürfte das einem Monatseinkommen von etwas weniger als 6000 Euro entsprechen.

Es kann ihm also kaum reichen, wenn seine Leute nun fünf Prozent mehr Geld bekommen sollen, verteilt auf 29 Monate, wie Fahrdienstleiter, Disponenten oder Schaffner. Er will sie auch per Tarifvertrag absichern für den Fall, dass sie berufsunfähig werden - die Bahn soll sich zu Umschulungen und gleicher Bezahlung wie vorher verpflichten. Und ihm gefällt der Gehaltsabstand nicht, der in dem Tarifvertrag der EVG zwischen dem Personal der DB und dem der Konkurrenten festgelegt wurde: 6,25 Prozent Differenz, dies würde bedeuten, dass auch die Löhne bei der DB unter Druck gerieten, sollten deren Konkurrenten den Tarif eines Tages nicht mehr halten können.

Weselsky kann leutselig, aber auch von schneidender Härte sein. Von anderen Gewerkschaftsführern unterscheidet er sich nicht dadurch, dass er wie viele von ihnen als Arbeiter, als Schlosser und Lokführer, begann: 1977 bei der Deutschen Reichsbahn in Dresden. Anders als sie ist er aber schon dadurch, dass er vor ein paar Jahren der CDU beitrat und Mitarbeiter in der Frankfurter GDL-Zentrale siezt (was unter Gewerkschaftern ungefähr so üblich ist wie Ohrstecker bei Arbeitgeberpräsidenten). Dass er aus Sachsen stammt, hört man auf den ersten Ton; dass er den nicht immer trifft, wenn er für seine Klientel unterwegs ist, zeigte sich zu Beginn der Woche.

Die Frage nach dem richtigen Ton

Der Eisenbahnunfall von Hordorf war noch keine zwei Tage her, über die Ursache des Unglücks gab es noch keinerlei Erkenntnisse, da machte Weselsky der Deutschen Bahn öffentlich Vorwürfe: Der Unfall "hätte wohl vermieden werden können", erklärte der GDL-Chef am Montag, wenn die Strecke zwischen Magdeburg und Halberstadt mit einem magnetischen Sicherungssystem ausgerüstet gewesen wäre. Das war schon voreilig genug, aber Weselsky ging noch weiter. Er räsonierte über den Stress der Lokführer - und war dann im nächsten Satz tatsächlich bei seinen Tarifverhandlungen, indem er die Forderungen seiner Gewerkschaft mehr oder weniger zu einer Frage von Leben und Tod erklärte: "Nur so ist die Eisenbahnsicherheit auch zukünftig gewährleistet."

Geschmacklos oder einfach nur albern? Jedenfalls wird Claus Weselsky an seinen Argumenten noch feilen müssen, will er während des Streiks die Öffentlichkeit für sich gewinnen. Vor vier Jahren litt die GDL unter einem Umstand, von dem sie später profitierte: dass sie eminent unterschätzt wurde, dass die Manager der Bahn lange dachten, mit diesen Amateuren, die sich in ihrer Zentrale bei Interviews immer vor den Lamellenvorhang stellen, werden sie schon fertig. Diesmal unterschätzt niemand mehr die GDL. In diesem Arbeitskampf wird ihr Chef auch Parkettsicherheit brauchen.

© SZ vom 04.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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