Gasversorgung:Wie Mehrkosten gerechter verteilt werden sollen

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Wirtschaftsminister Robert Habeck: Der Druck auf die Bundesregierung ist in den vergangenen Tagen wegen steigender Energiekosten wieder gewachsen. (Foto: IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de/IMAGO/photothek)

Die Bundesregierung arbeitet an einer weiteren Novelle des Energiesicherungsgesetzes. So könnten Importeure höhere Gaspreise zahlen, ohne von ihren Kunden mehr zu verlangen.

Von Michael Bauchmüller

Wenig hat Bestand in diesen Zeiten, auch nicht ein eben erst geändertes Gesetz zur Energieversorgung. Keine sechs Wochen ist die Novelle des "Energiesicherungsgesetzes" in Kraft, sie regelt unter anderem die Reaktionen auf plötzlich versiegende Gasflüsse. Doch nun arbeitet die Bundesregierung schon an einer Novelle der Novelle. Ein ganz neuer Paragraf soll in das Gesetzeswerk eingefügt werden und das möglichst schnell. Es sind Vorkehrungen für einen Fall, der mittlerweile noch viel realer ist als noch vor sechs Wochen.

Nach SZ-Informationen soll der neue Paragraf dem Bund vor allem zusätzliche Handlungsoptionen geben. Wenn nämlich das Gas knapp wird, und wenn dadurch Versorger in Schieflage geraten, weil sie das Gas für ihre Kunden nur noch zu erheblich höheren Preisen beschaffen können, dann eröffnet das Gesetz bisher in Paragraf 24 die Tür zu steigenden Preisen: Im Falle erheblich gesunkener Gasimporte gibt er allen betroffenen Energieversorgern das Recht, "ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen". Wie hoch dieses Niveau ist, bestimmen die Versorger. Es darf nur nicht so hoch sein, dass sie noch daran verdienen.

Daneben soll aber nun ein neuer Paragraf 26 treten, als erstes berichtete darüber die Nachrichtenagentur Reuters. Demnach könnte auch eine Art Umlage die Mehrkosten auffangen - und das schon, bevor diese bei Stadtwerken und dann bei den Haushalten ankommen. Erhoben würde die Umlage bei allen Gaskunden gleichermaßen, und verteilt würde sie über die Ratinger Trading Hub Europe. Vereinfacht gesagt, managt sie das Miteinander im deutschen Gasnetz. Dadurch könnten die Importeure weiter Gas einkaufen, auch wenn Russland es nicht mehr liefert. Sie könnten dafür höhere Preise zahlen, ohne von ihren Kunden mehr zu verlangen oder aber - im Schwitzkasten zwischen ausbleibenden russischen Lieferungen und eigenen Lieferverpflichtungen an andere - selbst pleitezugehen.

Selbst Verbraucherschützer sehen Vorteile in der Lösung

Der Druck auf die Bundesregierung ist in den vergangenen Tagen noch einmal erheblich gewachsen, ausgelöst durch die Verknappung der Lieferungen aus Russland. Seit zwei Wochen liegen die Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nur noch bei 40 Prozent der Maximalleistung, was nun auch den größten deutschen Gasimporteurs in Schieflage bringt, Uniper. Der Düsseldorfer Konzern hatte am Mittwochabend seine Ergebnisprognose kassiert - unter Hinweis auf fehlende Gasimporte aus Russland, die sich nur teuer ersetzen ließen. "Da Uniper diese Mehrkosten bislang nicht weitergeben kann, entstehen hieraus signifikante finanzielle Belastungen." Gespräche mit der Bundesregierung über eine Stützung dauern an. Eine Umlage, wie sie der neue Paragraf vorsieht, könnte in derlei Fällen künftig helfen.

Selbst Verbraucherschützer sehen Vorteile in der Lösung. "Eine Wälzung auf alle Verbraucher ist bitter", sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Andererseits wären Willkür und Chaos vorprogrammiert, wenn die Energieversorger einzelne Verträge beliebig erhöhen könnten wie beim bisherigen Paragraf 24." Und auch der Kommunal-Verband VKU unterstützt Umlage-Lösung ausdrücklich. "Für die Stadtwerke ist entscheidend, dass der Bund mit seinen Hilfen so weit vorne wie möglich in der Wertschöpfungskette eingreift", sagt VKU-Chef Ingbert Liebing. "Wenn frühzeitig abgefedert wird, hilft das der gesamten Energiewirtschaft und auch den Endkunden." Letztlich gehe es darum, "das gesamte Energieversorgungssystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren".

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