Ticketpreise im Fußball:Teurer als beim FC Bayern

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Die ausverkaufte Westkurve des TSV 1860 München im Stadtteil Giesing mit der legendären manuellen Anzeigetafel. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Die Preise für Dauerkarten in den Fankurven sind vielerorts umstritten. Das trifft vor allem jene Fans, die ohnehin schon leiden müssen.

Von Benjamin Emonts

Es gibt Orte, da zahlen Menschen freiwillig für den Schmerz. Zum Beispiel im Sadomaso-Studio (SM) oder im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße. Alle zwei Wochen investieren die Fans des TSV 1860 München dort ein nettes Sümmchen für Tickets und Helles, um ihre Mannschaft siegen und endlich mal wieder aufsteigen zu sehen. Doch dann bekommen sie oft nur Prügel. Eins zu vier gegen Borussia Dortmund II, null zu drei gegen SC Verl, null zu eins gegen Viktoria Köln. Das macht die Stimmbänder kaputt und bringt die Halsschlagader zum Kochen.

Diese Schmerzen kennen freilich auch andere masochistisch veranlagte Fans. Herzliches Mitgefühl an dieser Stelle an alle Abgestiegenen von Schalke 04 und Hertha BSC, an die notorischen Nichtaufsteiger des Hamburger SV und die last minute verprügelten Borussen aus Dortmund. Sie alle hätten sich von den Vereinen längst ein Schmerzensgeld für ihre Leidensfähigkeit verdient, doch die Sache läuft eben anders, wie ein Blick auf die aktuellen Preislisten der 56 Mannschaften aus den drei höchsten Fußballligen ergibt: Ausgerechnet die Fans mit dem größten Leidensdruck bezahlen für ihre Dauerkarten häufig am meisten. Je kleiner die Erfolge, desto größer die Spesen.

1860 hat eine der teuersten Dauerkarten

Als Gradmesser dienen die Dauerkartentarife für Stehplätze, sprich für die vollen Fankurven, in denen sich Ultras und Allesfahrer versammeln, die sogenannte Fanbasis, ohne die ein Fußballverein nicht mal die Hälfte wert wäre. Ganz weit vorne in dieser Preistabelle liegt wie schon vergangene Saison der chronisch klamme TSV 1860, der sportlich irgendwo zwischen Aue und Mannheim im Niemandsland der dritten Liga rangiert. Die Fans in der Westkurve müssen kommende Saison für 19 Heimspiele 285 Euro berappen, das macht 15 Euro pro Spiel. Die Kosten für die Dauerkarte sind um 7,5 Prozent gestiegen, zudem wurde der inbegriffene ÖPNV zum Leidwesen von Fans und Umwelt gestrichen. Die Inflation bei den Löwen ist derzeit höher als im restlichen Land.

Auch anderswo bittet man Leidgeplagte kräftig zur Kasse: Beim Zweitligisten HSV kostet die billigste Dauerkarte für 17 Heimspiele 238 Euro. Fans des VfB Stuttgart, die in ständiger Abstiegsangst leben, zahlen 227,50 Euro. Eine Dauerkarte für die Südtribüne in Dortmund macht 250 Euro. Die Fans bekommen dafür einen Platz auf der größten und vielleicht lautesten Stehplatzkurve Europas, doch selbst ihnen gehen die Preise zu weit. Schon 2022, als die Jahreskarte noch zehn Euro günstiger war, protestierte die BVB-Kurve mit großen Bannern. "Echte Liebe, aber teurer als jeder andere Puff", stand da rüpelhaft getextet. Da wäre man wieder beim Thema SM.

Schon vor einem Jahr haben die Fans von Borussia Dortmund gegen die Dauerkartenpreise protestiert. (Foto: Jan Huebner/IMAGO)

Nur zum Vergleich: Beim FC Bayern, auch wenn da aus 1860- und Dortmund-Sicht wirklich niemand hinwill, kostet die Stehplatz-Dauerkarte 165 Euro. Der 33-fache deutsche Meister, der Weltstars wie Manuel Neuer in die Manege schickt, knöpft seinen Fans also 85 Euro weniger als der Ligarivale aus Dortmund ab. Die günstigste Stehplatz-Dauerkarte aller Erstligisten verkauft die TSG Hoffenheim für 150 Euro, die teuersten hat Aufsteiger SV Darmstadt mit Preisen von 256 bis 323 Euro.

Wofür zahlt man da eigentlich?

Manche Fans stellen sich die Frage nach dem Wofür. Zahlt man für die tolle Mannschaft? Für das moderne Stadion? Für Titel? 1860-Anhänger würden das wohl verneinen. Sie bekommen Spieler zu sehen, die so unbekannt sind, dass man ihre Namen zwei Wochen auswendig lernen muss, um sie beim Durchsagen der Aufstellung fehlerfrei mitgrölen zu können. Auch das Stadion kann es kaum sein, obwohl die Stadt mittlerweile deutlich mehr Miete verlangt und die Betriebskosten sich versechsfacht haben sollen. Die Fans bekommen zugige Betontribünen geboten und ein legendäres Pissoir, das man in der Halbzeit mit 600 Fans teilt und von Weitem schon riecht. Die Anzeigetafel, ein Relikt aus dem prädigitalen Zeitalter, wird manuell mit Nummerntafeln bedient.

Wird es also Zeit, den Verein zu wechseln? Natürlich nicht, niemals. Die Fans lieben schließlich das ehrliche, brüchige Stadion und die Anzeigetafel, die kein Abseits und keine Aufstellung anzeigt. Sie lieben selbst ihre Spieler, die sie so häufig enttäuschen und die den Ball manchmal behandeln, als trügen sie Hufe. Sie lieben es, samstags mit Freundinnen und Freunden im Fanblock zu stehen und für ihre Mannschaft zu brüllen. Ja, sie lieben womöglich den Schmerz.

Genau darin liegt das Perfide. Die Vereine könnten wohl auch 370 Euro pro Saison verlangen - ihre treuesten Fans, die in der Regel keine Großverdiener sind, würden trotzdem kommen und zahlen, um ihr Team zu supporten. Ihr Geld hilft dabei nicht selten, die Löcher in leeren und mies verwalteten Vereinskassen zu stopfen. Nicht umsonst rufen die notorisch Erfolglosen oft die höchsten Preise für Tickets auf. Und die Nachfrage ist schließlich da. Die 12 000 Dauerkarten von 1860 sind schon fast alle vergriffen. "Einmal Löwe, immer Löwe", heißt es so schön.

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