Finanztricks der Immobiliengesellschaften:Viele Zinsen, keine Steuern

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Nicht nur Google, Apple und Co tricksen bei der Steuer - auch in anderen Unternehmen gehört das zum Alltag. 90 Milliarden Euro gehen Deutschland im Jahr durch die legalen aber unfairen Praktiken verloren. Eine neue Arbeitsgruppe der Finanzministerien von Bund und Ländern rüstet jetzt zum Gegenschlag.

Von Klaus Ott, Berlin

"Analyse von Steuergestaltungsmodellen", lautet die Vorgabe für eine neue Arbeitsgruppe aus den Finanzministerien von Bund und Ländern, die sich am heutigen Montag erstmals in Berlin trifft. Klingt wenig spektakulär, ist aber spannend, wie das erste Ergebnis zeigt. Internationalen Immobiliengesellschaften gelingt es ziemlich mühelos, mit einem trickreichen Modell ihre Gewinne aus dem lukrativen deutschen Wohnungsmarkt so "abzusaugen", dass kein einziger Euro Steuern anfällt. Das hat das Finanzministerium in Baden-Württemberg herausgefunden und den Kollegen aus Bund und Ländern mitgeteilt. Dem deutschen Fiskus entgehen dadurch mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr, schätzt das Stuttgarter Finanzressort. "Wir können nicht länger zusehen, wie unser Steueraufkommen ausgehöhlt wird", sagt Minister Nils Schmid (SPD).

Insgesamt verliert die Bundesrepublik nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mehr als 90 Milliarden Euro im Jahr, weil internationale Konzerne Gewinne ins Ausland verlagern und so Steuern vermeiden. Das zu ändern ist der Job der neuen Expertenrunde, die im Bundesfinanzministerium tagt. Sie soll Steuerlücken erkennen und Vorschläge erarbeiten, wie sich diese Schlupflöcher schließen lassen. Die Resultate sollen in den internationalen Aktionsplan einfließen, mit dem die OECD aggressive Steuertricks von Konzernen beenden will. Die OECD ist ein Zusammenschluss vor allem von Industriestaaten.

Den Unternehmensnamen dürfen die Experten nicht nennen, aber die Praktiken

Die Namen der Immobiliengesellschaften, die den Fiskus austricksen, kann das Finanzministerium in Baden-Württemberg wegen des Steuergeheimnisses nicht nennen. Aber es darf die Praktiken beschreiben. Die deutsche Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns kauft Grundstücke, errichtet Geschäftsgebäude und erzielt hohe Erlöse. Finanziert werden diese Projekte über Darlehen des Mutterkonzerns. Die Zinsen für diese Kredite mindern den in Deutschland anfallenden Gewinn. Laut Gesetz dürfen auf diese Weise eigentlich maximal drei Millionen Euro im Jahr geltend gemacht werden.

Das sieht eine sogenannte "Zinsschranke" vor, die verhindern soll, dass Firmengewinne künstlich heruntergerechnet werden. Doch was machen die internationalen Immobilienunternehmen? Sie gründen, wenn bei ihrem deutschen Ableger die drei Millionen Euro erreicht sind, einfach weitere Tochtergesellschaften. Deren einziger Sinn und Zweck ist es nach Erkenntnissen des Finanzministeriums in Stuttgart, die Zinsschranke im Steuerrecht "auszuhöhlen". Auf diese Weise schafften es Immobilienkonzerne, ihre Geschäfte in Deutschland "häufig steuerlich auf null" zu stellen. Der Staat geht leer aus.

Es könne nicht sein, dass die Zinsen in solchen Fällen mehrmals beim Fiskus absetzbar seien, klagt Minister Schmid. "Das benachteiligt den deutschen Mittelständler, der nur im Inland tätig ist und seine Steuern ordnungsgemäß bezahlt." Schmid fordert, diesen "unlauteren internationalen Steuerwettbewerb" im ersten Schritt zumindest innerhalb der Europäischen Union (EU) zu beenden. Das Beispiel aus der Immobilienbranche belegt, dass solche Steuertricks nicht nur von Großkonzernen wie Google, Apple, Amazon, Starbucks und Volkswagen praktiziert werden, sondern auch in anderen Firmen Alltag sind.

Das Modell spart dem Konzern gleich zweimal die Steuer

Die EU will diese Probleme ebenso angehen wie die OECD und die G 20, die Organisation der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Ziel des Ganzen: Formal legale, aber unfaire Praktiken beenden. Wie schwer das ist, zeigt das Beispiel der Immobiliengesellschaften. Die Bundesrepublik könnte im Alleingang beschließen, dass Zinslasten steuerlich nicht mehr absetzbar sind. Das aber träfe nach Angaben des Stuttgarter Finanzministeriums dann auch deutsche Firmen, bei denen solche Ausgaben tatsächlich anfallen und nicht nur auf dem Papier stehen. Also muss international agiert werden; letzten Endes weit über EU, OECD und G20 hinaus. Auch das lässt sich anhand von Zinsmodellen demonstrieren, die nach Erkenntnissen des baden-württembergischen Finanzministeriums noch mehr Vorteile für internationale Konzerne haben.

So kann etwa ein Unternehmen aus den USA in bestimmten Fällen nicht nur beim Fiskus im eigenen Land, sondern auch in der Bundesrepublik die Zinslasten für einen kreditfinanzierten Kauf deutscher Firmen geltend machen. So steht es in der Vorlage für die Expertenrunde, die sich in Berlin trifft. Die Krönung des Ganzen: Jene Konzerngesellschaft, die intern das viele Geld verleiht und dafür die schönen Zinsen kassiert, ist in der Regel in einer Steueroase ansässig, in der kaum Abgaben anfallen. Im Endeffekt spart sich also ein Konzern mit derartigen Geldtransfers gleich zweimal die Steuern. Die Zinsgewinne hingegen sind nahezu steuerfrei.

© SZ vom 08.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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