FDP zur Euro-Rettung:Heimlicher Schwenk

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Der Schatten von Rainer Brüderle auf einem FDP-Banner: Die Liberalen wollen den ESM abschaffen. (Foto: dpa)

Politischer Sprengstoff versteckt auf Seite 84: Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm die Auflösung des Euro-Schutzschirms ESM. Dabei ist der Fonds - im Gegensatz zum Vorgänger EFSF - beinahe so dauerhaft angelegt wie ein Unternehmen. In Brüssel jedenfalls besteht "kein Zweifel" daran, dass der ESM eine Dauerlösung ist.

Von Claus Hulverscheidt und Cerstin Gammelin, Brüssel

Die beiden Sätze finden sich versteckt auf Seite 84 des in Gelb und Blau gehaltenen Konvoluts, doch sie bergen mehr Sprengstoff als fast alles, was die FDP sonst auf mehr als 100 Seiten in ihrem "Bürgerprogramm 2013" niedergeschrieben hat. "Der ESM", heißt es da knapp, "ist keine Dauerlösung. Sobald eine funktionierende Stabilitätsunion mit effektiven Sanktionen bei übermäßiger Staatsverschuldung besteht, muss der ESM auslaufen" ( hier als PDF; Anm. d. Red.: Es gibt mehrere Versionen dieses FDP-Bürgerprogramms als Download, so dass die Seitenzahlen hier mitunter abweichen können.)

Das ist wahrlich neu, denn nach dem bisherigen Verständnis aller 17 Euro-Länder ist der erst vor einem Jahr eingerichtete Schutzschirm ESM genau das, was er nach Definition der deutschen Freidemokraten gerade nicht sein soll: eine Dauerlösung. Die Dauerhaftigkeit gilt sogar als Hauptunterschied zum provisorischen Vorgängermodell EFSF.

Dieses hatte sich als ungeeignet erwiesen, in Not geratene Länder nachhaltig vor der Pleite und vor spekulativen Attacken der Finanzmärkte zu schützen. So basierte der EFSF nur auf Bürgschaftszusagen der Euro-Länder. Der neue Fonds dagegen wird am Ende über ein tatsächlich eingezahltes Stammkapital von 80 Milliarden Euro verfügen. Damit ist er beinahe so konzipiert wie ein Unternehmen.

Aus diesem Konsens steigt die FDP nun also ganz offenkundig aus. Begründet wird der abrupte Kurswechsel in dem Wahlprogramm nicht, vielmehr stehen die fraglichen Sätze ein wenig isoliert da. Einige Zeilen darüber loben sich die Liberalen sogar ausdrücklich selbst dafür, dass die Regierungen der Euro-Staaten, darunter die schwarz-gelbe in Deutschland, mit der Errichtung von EFSF und ESM "die Grundlage zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Krisenländern geschaffen" hätten.

"Kein Zweifel daran, dass der Fonds ein permanenter ist"

Der Schwenk erinnert an die Mitgliederbefragung vom Spätherbst 2011, als der Finanzexperte Frank Schäffler den Versuch gestartet hatte, die Partei in der Europapolitik auf einen grundsätzlich anderen Kurs zu zwingen. Schäffler scheiterte damals - aber nur knapp. Dass es ihm gelang, 9000 Parteimitglieder hinter sich zu scharen, zeigt, dass es in der FDP eine beachtliche Gruppe gibt, die Länder wie Griechenland und Portugal lieber aus der Euro-Zone werfen würden, als sie mit Milliardenpaketen zu stützen.

Ob die beiden Sätze im Wahlprogramm eine Verbeugung vor dieser Gruppe und deren Sympathisanten im Wahlvolk sind, blieb am Dienstag offen: Weder Parteichef Philipp Rösler noch Spitzenkandidat Rainer Brüderle wollten sich auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung äußern.

Eine Reaktion auf die Gründung der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD) im Mai ist der Schwenk der FDP hingegen nicht, denn er geht bereits auf einen Parteitagsantrag vom April 2012 zurück. Damals hatte eine Gruppe um Ex-Fraktionschef Hermann Otto Solms gefordert, dass der ESM aufgelöst wird, sobald die Euro-Staaten ihre Schuldenquoten und Etatdefizite unter die im EU-Vertrag vereinbarten Obergrenzen gedrückt haben.

Der Antrag wurde aus Zeitmangel gar nicht diskutiert, dann aber vom Bundesvorstand übernommen und jetzt im Wahlprogramm verankert - zum Entsetzen der EU-Kommission: Zwar wollte sich zunächst keiner der zuständigen Kommissare offiziell äußern. Aus der Chefetage der Brüsseler Behörde verlautete jedoch, es bestehe "kein Zweifel daran, dass der Fonds ein permanenter ist".

© SZ vom 18.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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