Fake News:"Das Einfachste sind die klassischen Propaganda-Lügen"

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Gefälschte Nachrichten im Internet verbreiten sich oft rasend schnell. Jetzt will Facebook auch in Deutschland härter dagegen vorgehen. (Foto: dpa)

Um Fake News zu erkennen, hat Facebook sich das Recherchezentrum Correctiv als Partner ausgesucht. Dessen Geschäftsführer David Schraven erklärt, wie eine kleine Redaktion all der Falschmeldungen Herr werden soll.

Interview: Oliver Klasen

Im US-Wahlkampf wurden über Facebook massenhaft gefälschte Nachrichten verbreitet, oft zu Gunsten von Donald Trump. Inzwischen geht das Online-Netzwerk verstärkt gegen sogenannte Fake News vor. In den USA wurde Mitte Dezember ein Netzwerk mehrerer Organisationen gegründet, die für Facebook das Faktenchecken übernehmen und Lügen für alle User sichtbar markieren sollen. Ähnliches plant das Unternehmen jetzt auch in Deutschland. Politiker wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatten schon lange ein Schärferes Vorgehen gegen Fake-News gefordert. Jetzt hat Facebook das in Berlin ansässige Recherche-Zentrum Correctiv als Partner ausgewählt. Die Mitarbeiter dort würden von Nutzern gemeldete Inhalte prüfen und gegebenenfalls als zweifelhaft auszeichnen, kündigte das weltgrößte Online-Netzwerk am Sonntag an. Correctiv bekommt kein Geld von Facebook. David Schraven, der Geschäftsführer des Recherchebüros, erklärt, wie das Projekt finanziert werden soll und warum er darin einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie sieht.

Sz.de: Herr Schraven, wie kam der Kontakt zu Facebook zustande?

David Schraven: Irgendwann im Herbst, als mir das Problem mit den Fake-News immer größer zu werden schien, habe ich Kontakt zu den Leuten von Facebook aufgenommen. Es gab dann ein Treffen, aber wir haben erstmal sehr allgemein über ganz viele Themen gesprochen. Dann hat Facebook in den USA im Dezember so ein ähnliches Programm aufgesetzt, an dem mehrere Organisationen mitarbeiten. Und für Deutschland haben sie uns gefragt, ob das nicht etwas für uns wäre. Ich hab sofort Ja gesagt.

Ihre Organisation hat zur Ursache des Absturzes von MH17 recherchiert, sie haben den Skandal um gefährliche Keime in deutschen Krankenhäusern enthüllt. Immer Projekte mit großen Datenmengen, für die Sie aber sehr viel Zeit hatten. Wenn Sie Fake-News auf Facebook entlarven wollen, müssen Sie sehr schnell reagieren. Sind Sie dafür gerüstet?

Ich denke schon. Wir machen erstmal so eine Art Betatest, bei dem wir uns anschauen: Wo liegen die Schwierigkeiten - inhaltlich, technisch und so weiter. Deshalb ist es auch wichtig, dass unser Dienst in dieser Phase kostenlos ist. Später können wir überlegen, wie wir das Ganze organisatorisch und finanziell auf eine langfristige Grundlage stellen.

Haben Sie sich einen Zeitrahmen gesetzt für diese Testphase?

Es gibt kein festes Limit, weil wir nicht wissen, was auf uns zukommt. Aber der Lackmustest wird sicherlich die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. Wenn sich dort die Populisten durchsetzen können mit Hilfe von Fake-News, dann ist das Kind im Brunnen.

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Ein ausländischer Mob habe eine Kirche in Dortmund in Brand gesetzt, berichtet das umstrittene US-Nachrichtenportal. Die Dortmunder Polizei rückt das zurecht.

Von Julia Ley

Sie sind ein kleines Recherchebüro mit nur wenigen Angestellten. Wie wollen Sie all der Fake-News Herr werden?

Alles in allem sind wir 25 Leute, aber das reicht natürlich nicht, um alle sozialen Medien zu filtern. Deshalb kann das auch nicht das Ziel sein. Wir arbeiten mit dem Melde-Button auf Facebook. Wenn das bei einer Nachricht eine relevante Schwelle erreicht, dann werden wir uns das ansehen und entscheiden: Können wir das überprüfen oder können wir das nicht überprüfen.

Das heißt, Sie werden zunächst nur reagieren und nicht bestimmte Medien besonders kritisch scannen, etwa die umstrittene US-Seite Breitbart, die jetzt auch nach Deutschland expandiert?

Ja, das stimmt. Das orientiert sich rein an den Meldungen. Nach dem Beta-Test sind wir schlauer. Wir wissen dann, wie viel und was wird überhaupt gemeldet wird. Dann können wir entscheiden, ob wir gezielter vorgehen müssen.

Überprüfen Sie auch gefälschte Inhalte von Einzelpersonen, etwa, wenn jemand behauptet, er sei von fünf Syrern überfallen worden?

Ich vermute, dass das die Hauptarbeit sein wird. Erfundene Geschichten von Verbrechen sind wahrscheinlich die wichtigste Art von Fake-News auf Facebook.

Was sind denn für Sie Fake-News? Das ist ja ein sehr schwammigerer Begriff.

Das stimmt. Auch das müssen wir im Laufe des Prozesses klarer herausarbeiten. Das Einfachste sind die klassischen Propaganda-Lügen. Ich denke zum Beispiel an das Zitat, das Renate Künast neulich untergeschoben wurde.

Auf Facebook-Seiten wurde behauptet, Künast habe Verständnis für den Täter geäußert: Er habe zwar getötet, aber man müsse ihm helfen, weil er traumatisiert sei.

Genau. Solche Lügen sind sehr einfach zu entlarven. Das ist wahrscheinlich gar nicht die Art von Fake-News, um die wir uns kümmern müssten. Denn es handelt sich ja um handfeste justiziable Falschbehauptungen. Da reicht es nicht, dass das jemand mit einem Fähnchen markiert und sagt: Das ist falsch. Da kann Frau Künast eine Unterlassungserklärung schicken und der Fisch ist geputzt. Das Schwierige sind Inhalte, wo es um Fake-News mit Nebensätzen geht.

Was meinen Sie damit?

Etwa die Geschichte in Dortmund, als angeblich an Silvester die älteste Kirche Deutschland von einem Mob abgefackelt wurde. Natürlich gab es da ein Mini-Körnchen Wahrheit an der Geschichte. Aber drum herum wurde jede Menge Bullshit dazu gedichtet. So funktioniert das oft.

Was ist denn mit redaktionellen Fehlern, etwa falsche Zahlen?

Dafür gibt es andere Korrekturmechanismen. Fehler, die seriöse Redaktionen machen, werden in aller Regel nach einer gewissen Zeit korrigiert.

Was entgegen Sie Kritikern, die das, was Sie tun, als Zensur bezeichnen?

Denen sage ich, dass Zensur ein staatlicher Eingriff ist, der zur Folge hat, dass ich meine Meinung nicht mehr sagen darf. Fake-News checken ist etwas völlig anderes. Da sage ich einem anderen User lediglich: Das ist Blödsinn, was Du erzählst.

Ist das dann so wie bei Wikipedia, wo manche Artikel mit dem Hinweis gekennzeichnet sind. "Für diesen Abschnitt gibt es keine hinreichenden Belege."

Ja, das kann man ungefähr vergleichen.

Sie sagen, Fake-News können die Demokratie in Gefahr bringen. Aber ist es in einer offenen Gesellschaft der richtige Weg, sie zu markieren oder gar zu löschen? Muss man von mündigen Bürgern nicht erwarten können, dass sie Fälschungen selbst erkennen?

Das ist ja nur einer von mehreren Wegen. Natürlich reicht es nicht aus, Fake-News allein bei Facebook aufzuspüren. Ich glaube schon, dass die gesellschaftliche Aufklärung am Ende so weit gehen sollte, dass jeder ertüchtigt wird, Quatsch als Quatsch zu erkennen. Aber das ist eine andere, größere Aufgabe. Das Wissen zu vermitteln, wie suche ich nach guten Nachrichten? Wie bewerte ich Nachrichten? Was ist eine sichere Quelle? Ich glaube, dass da zum Beispiel die Volkshochschulen eine gute Möglichkeit wären.

Die Volkshochschulen?

Ja. Da könnte man ein System nutzen, das Bildung in sehr breite Schichten tragen kann. Tausende von Leuten könnten da unterrichtet werden.

Also etwa mit einem Kurs: Wie lese ich Medien richtig?

Ja, so ähnlich. Denn wenn ein paar Redaktionen Fact-Checking betreiben, dann ist das wenig. Wenn das aber Tausende von Menschen können, wenn die in der Lage sind, Falschmeldungen zu erkennen, dann hat das eine ganz andere Dimension. Denn sie können ihr Wissen weitertragen an andere, die sich dann nicht so leicht beeinflussen lassen.

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