Facebook kauft Kritiker ein:Ein Seitenwechsel, wie er unwahrscheinlicher kaum sein könnte

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"Nach den Datenschutz- Prügeln, die Facebook eingesteckt hat, war ich auch skeptisch": Nun wird Nate Cardozo für den Konzern arbeiten. (Foto: Getty Images Entertainment/Getty)

Nate Cardozo war scharfer Kritiker des "gesichtslosen Großkonzerns" Facebook. Nun wechselt der Bürgerrechtler ausgerechnet dorthin, um bei Whatsapp Nutzerdaten zu schützen

Von Kathrin Werner, New York

Es ist nicht lange her, da nannte er Facebook noch "einen gesichtslosen Großkonzern", der hinter dem berühmten Like-Button "ein dunkles Geheimnis" verstecke. "Es ist gruselig." Jetzt wechselt Nate Cardozo, 37, zu genau diesem Konzern. Der Anwalt wird neuer Datenschutz-Manager bei der Facebook-Tochter Whatsapp.

Es ist ein Seitenwechsel, wie er unwahrscheinlicher kaum sein könnte. Mehr als sechs Jahre lang hat Cardozo bei der Electronic Frontier Foundation (EFF) gearbeitet, einer Organisation, die sich für den Schutz privater Daten einsetzt. Der Wechsel sei kein Schritt, den er auf die leichte Schulter nimmt, schreibt er bei Facebook. "Nach den Datenschutz-Prügeln, die Facebook eingesteckt hat, war ich auch skeptisch." Aber sein neues Team kenne ihn und seine Positionen und heure ihn genau ihretwegen an. "Ich konnte diese Gelegenheit nicht auslassen." Diese Gelegenheit könnte man auch so formulieren: Den Feind von innen bekämpfen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg plant laut einer Recherche der New York Times gerade einen Schritt, den Datenschützer kritisch sehen: Die Technik der drei konzerneigenen Chat-Dienste Whatsapp, Instagram und Messenger soll verschmelzen, also unter anderem mit derselben Verschlüsselung geschützt werden. Eigentlich hatte Zuckerberg Whatsapp und Instagram Unabhängigkeit versprochen, um Kunden zu halten, die Facebook keinen Zugang zu ihren Informationen geben wollen. Zuckerberg hat zuletzt mehrfach Besserung gelobt, unter anderem was Datenschutz und Datenverkauf angeht. Es ist eine große Aufgabe, die Kunden und Politiker davon zu überzeugen, dass er es Ernst meint. Dabei helfen sollen eine ganze Reihe bisheriger Facebook-Kritiker, die der Konzern gerade anwirbt, darunter neben Cardozo etwa Robyn Green von der Datenschutzgruppe Open Technology Institute und Nathan White von Access Now, einem Verein, der die Rechte von Kunden im Netz vertritt.

"Wenn ein Geschäftsmodell von Täuschung und Apathie abhängt, verdient es zu scheitern"

Cardozo kritisiert, dass es zu Facebooks Geschäftsmodell gehöre, dass die meisten Menschen zu bereitwillig Daten teilen, mit denen der Konzern dann Geld verdient. "Das ist falsch, sowohl aus ethischen als auch aus rechtlichen Gründen", findet er. "Wenn ein Geschäftsmodell von Täuschung und Apathie abhängt, verdient es zu scheitern." Jetzt ist er dafür zuständig, das Scheitern abzuwenden.

Er ist keiner, der mit seinen Meinungen hinterm Berg hält. Cardozos Facebook-Profil ist teilweise öffentlich zugänglich, er macht sich also keine Sorgen, einige Daten selbst mit der Außenwelt zu teilen - zum Beispiel ein Video, in dem seine scheckige Katze seine Brust mit den Pfoten massiert. Auf Facebook regt er sich auch gern über die Regierung von Donald Trump auf. Oder er dichtet, zum Beispiel eine Abwandlung des Verses, der auf dem Sockel der Freiheitsstatue steht: "Gebt mir eure Müden, eure Armen/Eure geknechteten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen." Ginge es nach Cardozo, müsste der Vers unter Trump so klingen: "Gebt mir eure Belesenen, eure Top-Verdiener/Eure christlichen Massen, die sich danach sehnen, zu investieren."

Cardozo braut auch. Was als Versuch begann, ist zu einem ernsthaften Hobby geworden mit temperaturkontrollierter Gärung, Lagerung in Eichenfässern, semiprofessioneller Bierabfüllung und so weiter, erzählt er. Und weil er politisch denkt, verbindet er sogar sein Bier mit einer Botschaft: Sein Dunkles hat er Stormbrew genannt und dem US-Abhördienst NSA gewidmet, der eine dunkle, stürmische Attacke auf Nutzerinformationen plane. Auch das ist ein alter Kritikpunkt an Facebook: die Datenherausgabe an die NSA. Aber auch die kann Cardozo ja nun von innen bekämpfen.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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