Nutzerdaten:Kartellamt verordnet "innere Entflechtung" von Facebook, Whatsapp und Instagram

Nutzerdaten: Facebookgründer Mark Zuckerberg bei einer Präsentation auf der f8 Entwicklerkonferenz in San Francisco.

Facebookgründer Mark Zuckerberg bei einer Präsentation auf der f8 Entwicklerkonferenz in San Francisco.

(Foto: Justin Sullivan/AFP)
  • Das Bundeskartellamt verbietet es Facebook, Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen, wenn Nutzer dem nicht explizit zustimmen. Das gilt für die Dienste Whatsapp, Instagram und Facebook sowie Daten von Drittseiten.
  • Der Konzern hat angekündigt, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen.
  • Justizministerin Katarina Barley hat den Kartellamtsentscheid "nachdrücklich" begrüßt.

Von Benedikt Müller und Jannis Brühl

Das Bundeskartellamt untersagt Facebook, die Nutzerdaten von verschiedenen Quellen in den einzelnen Facebook-Konten in Deutschland ohne explizite Zustimmung der Nutzer zusammenzuführen. Dabei geht es sowohl um Konzerntöchter wie Whatsapp oder Instagram, als auch um Webseiten und Apps anderer Betreiber.

Künftig dürfen Dienste wie Whatsapp oder Instagram zwar weiterhin Daten sammeln, teilt das Bundeskartellamt mit. Der Konzern dürfe die Daten aber nur noch im Facebook-Konto eines Nutzers zusammenführen, wenn dieser dem freiwillig zustimmt. Facebook solle nun Lösungsvorschläge erarbeiten und der Behörde vorlegen. "Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts.

Dass Facebook Daten aus verschiedenen Quellen zusammentrage, habe "maßgeblich dazu beigetragen", dass der Konzern einen so einzigartigen Bestand an Daten seiner Nutzer gesammelt habe und so mächtig geworden sei, sagt Mundt. "Der Verbraucher kann in Zukunft verhindern, dass Facebook seine Daten ohne Beschränkung sammelt und verwertet."

Facebook wird wohl Beschwerde einlegen

Facebook kündigte an, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen. Man habe zwar mit dem Bundeskartellamt kooperiert, stimme aber dessen Schlussfolgerungen nicht zu. Die Behörde unterschätze die Konkurrenz, der Facebook durch "YouTube, Snapchat, Twitter und vielen anderen Wettbewerbern" ausgesetzt sei, heißt es in einer ersten Stellungnahme.

Facebook argumentiert, 40 Prozent der Nutzer sozialer Medien in Deutschland seien gar nicht auf Facebook. Doch das Kartellamt geht davon aus, dass der Konzern mit 23 Millionen täglichen Nutzern hierzulande auf einen Marktanteil von mehr als 95 Prozent komme. Andere Dienste wie Snapchat, Youtube oder Twitter zählt die Behörde nicht zu dem relevanten Markt, weil sie "jeweils nur einen Ausschnitt der Leistungen eines sozialen Netzwerks" anbieten würden. Doch selbst wenn man diese Konkurrenten einbeziehe, komme Facebook mit seinen Töchtern Whatsapp und Instagram auf hohe Marktanteile, teilt das Kartellamt mit.

Der Konzern halte sich an die Datenschutz-Grundverordnung, die für alle Europäer gelte, erklärte Facebook. Man habe die Privatsphäre-Einstellungen für Nutzer bereits überarbeitet und wolle noch mehr verbessern. Dass der Konzern über die Grenzen seiner einzelnen Dienste hinweg Informationen nutze, sei sogar im Sinne der Nutzer: Es trage auch zu ihrer Sicherheit bei, etwa um den Missbrauch von Accounts zu verhindern. Facebook führt auch an, dass diese Praxis im Kampf gegen "Terrorismus, Kindesmissbrauch oder die Manipulation von Wahlen" helfe - Themen, die Politiker gerne hören, wenn es um die Regulierung des Internets geht.

Das Bundeskartellamt hatte sein Verfahren gegen Facebook vor knapp drei Jahren eröffnet. Die Behörde geht davon aus, dass der Konzern den Markt für soziale Netzwerke in Deutschland beherrscht. Sie hat den Verdacht, dass Facebook diese Macht missbrauchen könnte. Nämlich dann, wenn der Konzern auch Nutzerdaten der Tochterfirmen Whatsapp und Instagram sammelt sowie Daten anderer Webseiten, und all diese Informationen mit den Facebook-Konten der Nutzer zusammenführt. So verknüpft Facebook zum Beispiel die Telefonnummern von Whatsapp-Nutzern mit ihrem Facebook-Konto. Zudem hat das Unternehmen angekündigt, die technische Infrastruktur für Chats zwischen Whatsapp, Instagram und Facebook Messenger bis nächstes Jahr zu verschmelzen.

Damit das Unternehmen auch Informationen anderer Webseiten und Apps sammeln kann, reiche es aus, wenn diese einen Facebook-"Gefällt mir"-Button enthalten, hatte Mundt schon vor gut einem Jahr in einer vorläufigen Einschätzung erklärt. "Dies ist den Nutzern nicht bewusst." Dabei enthielten Millionen Webseiten und Apps derlei Schnittstellen. Mundt bezweifelte auch, dass die Facbook-Nutzer dem Sammeln ihrer Daten zugestimmt haben. Möglicherweise nähmen sie diese Praxis nur hin, weil sie auf keine anderen sozialen Netzwerke ausweichen können oder wollen.

Facebook verbat sich ein Einschreiten des Kartellamts und argumentierte: Eigentlich gehe es um Datenschutz und nicht um Wettbewerbsrecht, die Behörde vermische beides unzulässig und überschreite ihr Mandat. Und da das Unternehmen seinen europäischen Sitz in Dublin hat, sei nach der neuen Datenschutz-Grundverordnung die irische Datenschutzbehörde zuständig. Diese geht erfahrungsgemäß freundlicher mit Facebook um als die Kollegen vom Festland.

Auflagen könnten Nutzer in ganz Europa betreffen

Die Argumentation des Kartellamtes wäre in dieser Form vor wenigen Jahren noch unmöglich gewesen. 2017 hat die Bundesregierung das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) novelliert und an die digitale Ökonomie und ihre mächtigen Konzerne angepasst.

Das erneuerte Gesetz berücksichtigt genau die Faktoren, die Facebook und Google so mächtig machen: Netzwerkeffekte (je mehr Nutzer auf der Plattform agieren, umso mehr lohnt es sich, ihr beizutreten), das Sammeln "wettbewerbsrelevanter" Daten und den Aufwand, der ein Wechsel zu einem anderen Dienst für einen Nutzer bedeuten würde. Diese Faktoren darf das Amt nun heranziehen, um die Marktmacht einer Plattform zu bewerten.

Zudem hat die Novelle ein Problem gelöst, welches das Kartellrecht lange mit digitalen Diensten hatte: "Wo kein Umsatz, da kein Markt", hieß es früher. Nur wenn Geld floss, waren die Marktwächter zuständig. Facebook ist wie andere Plattformen von Uber bis Google ein sogenannter zweiseitiger Markt: Auf der einen Seite spricht das Unternehmen Nutzer an, auf der anderen Werbetreibende. Letztere bringen dem Netzwerk Geld ein, die Nutzer zahlen nichts. Doch wie die Novelle klargestellt hat, kann das Kartellamt auch dann zuständig sein, wenn kein Geld bezahlt wird. Schließlich zahlen Nutzer mit ihren Daten, auf deren Basis Facebook die Werbeplätze an Anzeigenkunden verkauft.

In den USA könnte Facebook theoretisch zerschlagen werden, etwa indem Whatsapp oder Instagram aus dem Konzern herausgelöst werden. Allerdings griffen die Behörden in der Vergangenheit nur in extremen Ausnahmefällen zu diesem Mittel. Für das Bundeskartellamt war das keine Option. Das hiesige Kartellrecht gibt eine Entflechtung von Unternehmen nicht her. Dennoch könnte die Entscheidung weitreichende Folgen haben für Facebook. Da es umständlich wäre, in jedem EU-Staat eine andere Version der Plattform anzubieten, könnte sich der Konzern nach den strengsten Regeln richten. Dann könnten die Auflagen aus Deutschland Nutzer in ganz Europa betreffen.

"Wegweisende Entscheidung"

Justizministerin Katarina Barley hat den Kartellamtsentscheid "nachdrücklich" begrüßt. "Facebook hat die Sammlung und Vernetzung von Nutzerdaten inzwischen weit über seine eigene Plattform hinaus ausgebaut", sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Schnittstellen des Konzerns greifen die Daten nicht nur bei den anderen Diensten des Konzerns ab, sondern auch bei zahlreichen Apps und Webangeboten von Dritten", kritisierte sie.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber begrüßte die "wegweisende Entscheidung" des Kartellamts, auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband kommt Lob. Der Digitalverband Bitkom dagegen beurteilte die Entscheidung "sehr kritisch". Der Versuch, eine große Plattform zu regulieren, werde "vor allem negative Auswirkungen auf andere, kleinere Unternehmen, Verlage, Blogger und die Internet-Nutzer haben", sagte der Verband voraus.

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