Es wäre nicht verwunderlich, wenn in einem guten Jahr ein paar Romane oder Filme erscheinen, die damit beginnen, dass Facebook ausfällt. Und aus bleibt.
Inspiration dazu gab es genug an diesem Mittwoch, als Facebook und die dazugehörigen Netzwerke Whatsapp und Instagram weltweit für viele Menschen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt erreichbar waren. Laut der Webseite Down Detector, die Ausfälle von Internetservices protokolliert, begannen die Probleme bei allen drei Diensten gleichzeitig gegen neun Uhr morgens amerikanischer Westküsten-Zeit (am späten Nachmittag deutscher Zeit). Während die Störungsmeldungen nach ziemlich genau zwölf Stunden abnahmen, sind die Gründe für den Ausfall noch unklar. Schon bald aber wurde deutlich: Dies ist der bedeutendste Ausfall dieser drei Internet-Services, die zu den größten überhaupt zählen. Gemeinsam zählen sie 2,7 Milliarden regelmäßige Nutzer. Den letzten größeren Ausfall erlebte Facebook 2010, damals dauerte er zweieinhalb Stunden.
Diesmal äußerte sich Facebook selbst erst eine gute Stunde nach Beginn der Probleme: In dürren Mitteilungen räumte das Unternehmen Probleme ein, die "einige Menschen" erlebten. Absurder als diese Untertreibung dürfte nur sein, dass der größte und mächtigste Kommunikationskonzern der Erde diese Nachricht auf Twitter absetzte, also der Konkurrenz. Etwas später teilte das Unternehmen noch mit, die Probleme hätten nichts mit einem Hacker-Angriff zu tun.
Viele Facebook-Nutzer taten es dem Unternehmen gleich und wichen auf Twitter aus. So viele Menschen meldeten sich bei dem Kurzmitteilungsdienst neu an oder reaktivierten ihre alte Mitgliedschaft, dass es offenbar auch hier zu kleineren technischen Problemen kam.
Und dann begann ein Schauspiel, das wohl auch für forschende Soziologen interessant sein dürfte: Innerhalb weniger Stunden konnte man zusehen, wie die Stimmung vieler Nutzer kippte von Verwunderung zu Belustigung und schließlich zu Ärger ("Noch eine Stunde weiterversuchen oder ins Bett gehen und hoffen, dass morgen alles wieder gut ist - was macht ihr?"). Kulturpessimisten sollten sich unbedingt die Twitter-Hashtags "#FacebookDown", "#InstagramDown" und "#WhatsappDown" merken, bessere Argumentationshilfe dafür, dass es mit der Menschheit zu Ende geht, wird es für sie so bald wohl nicht wieder geben.
"Wir sind die Polizei. Bitte rufen Sie uns wegen dieser Sache nicht an"
Was die Endzeitstimmung noch anheizte: Von Facebook selbst gab es nach den ersten beiden Stellungnahmen stundenlang überhaupt keine Nachrichten. Die neuseeländische Polizei sah sich schließlich genötigt, der aufgebrachten Bevölkerung zu erklären, sie sei nicht zuständig: "Wir sind die Polizei. Bitte rufen Sie uns wegen dieser Sache nicht an."
Und was, wenn Facebook, Instagram und Whatsapp nie wieder funktionieren? Vielleicht, weil Mark Zuckerberg erkannt hat, welches Monster er erschaffen hat und einfach den Stecker gezogen hat? Die einen stellten diese Frage am Mittwoch belustigt, die anderen verängstigt. Tatsächlich wäre es ja eine andere Welt: Köche könnten sich wieder darauf konzentrieren, leckeres Essen zu kochen, anstatt alles daran zu setzen, dass ihre Gerichte hübsch genug für Instagram aussehen. Rund um den Globus würden Tausende Influencer ratlos vor dem Sonnenuntergang sitzen und sich dabei einsam und ungeliebt fühlen. Menschen würden wieder ungeschminkt auf Berggipfel steigen, weil es nicht mehr allein darum ginge, das Beweisfoto mit der ganzen Welt zu teilen.
Möglicherweise hat der Ausfall aber auch ernsthafte Folgen für das Zuckerberg-Imperium. Denn in einem sich ohnehin schon rasant verschlechternden politischen Klima für die Tech-Konzerne führt der Vorfall eindrucksvoll vor, dass mit Facebook, dem Facebook-Messenger, Instagram und Whatsapp vier der bedeutendsten Kommunikationskanäle der Erde einem einzigen Konzern gehören. Erst vor wenigen Tagen forderte die amerikanische Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren, Facebook zu zerschlagen, weil es zu groß und mächtig geworden sei. Kurz zuvor hatte Zuckerberg angekündigt, Facebook, Instagram und Whatsapp auch technisch zusammenzulegen. Das Risiko dieses Manövers bekam er nun eindrucksvoll vorgeführt.
Der einzige Lichtblick für Facebook bei der ganzen Sache: Ein Bericht der New York Times wurde in der ganzen Aufregung wenig beachtet. Demzufolge ermitteln New Yorker Staatsanwälte strafrechtlich gegen Facebook, weil der Konzern über Jahre hinweg ohne Einwilligung der Nutzer deren Daten an andere Firmen weitergab. Mehr als 150 Unternehmen, darunter zum Beispiel Handy-Hersteller erhielten Einblick in Nutzerdaten.