Geldpolitik:Zentralbank schraubt Leitzins auf drei Prozent hoch

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Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank: Die Währungshüter erhöhten erneut den Leitzins. (Foto: Hannelore Foerster/IMAGO)

Im Kampf gegen die Inflation erhöhen die Währungshüter den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte - und kündigen für März eine weitere Anhebung an.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Im Kampf gegen die hohe Inflation hat die Europäische Zentralbank den Leitzins erneut um 0,5 Prozentpunkte auf nun drei Prozent erhöht. Das ist der höchste Stand seit 2008. "Bei unserem nächsten geldpolitischen Treffen im März beabsichtigen wir, den Leitzins um weitere 0,5 Prozentpunkte anzuheben", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Danach werde die Lage neu bewertet. "Niemand sollte aber daran zweifeln, dass wir den Leitzins so stark anheben wie nötig, um die Inflationsrate auf unser Ziel von zwei Prozent zu drücken", sagte Lagarde weiter. "Der Preisdruck bleibt stark, wir sind noch nicht fertig."

Die Notenbank befindet sich auf einer Gratwanderung: Einerseits möchte man die Inflation durch resolute Zinsanhebungen drücken, andererseits soll vermieden werden, dass allzu hohe Leitzinsen zu einem Abschmieren der Konjunktur führen. Bislang scheint die Strategie aufzugehen. Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist zu Jahresbeginn mit 8,5 Prozent weiter zurückgegangen. Im Dezember betrug die Inflation noch 9,2 Prozent, im November waren es 10,1 Prozent.

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Gleichzeitig scheint die Euro-Zone die Gefahr einer Rezession gebannt zu haben. Europas Wirtschaft habe sich insgesamt widerstandsfähiger als erwartet erwiesen, so Lagarde. Über die kommenden Quartale sei mit einer Erholung zu rechnen - auch weil sich die Probleme bei den Lieferketten auflösen würden. Der Internationale Währungsfonds rechnet für die Euro-Zone dieses Jahr mit einem Wachstum von 0,7 Prozent.

Doch auch wenn sich die Inflationsrate leicht abschwächt - die Preise bleiben hoch und steigen weiter, was vor allem Haushalte mit geringen Einkommen belastet. Beschlossene Staatshilfen als Ausgleich für die hohen Energiepreise decken nicht in allen Fällen die finanzielle Belastung aus. Auch die nun höheren Zinsen auf Sparkonten reichen bei Weitem nicht aus, um die hohe Inflation auszugleichen. Sparer machen real Verluste. "Die EZB versucht, die Inflation zu kontrollieren, indem sie die Wirtschaft abkühlt. Aber das bedeutet, dass die Arbeitseinkommen sinken, die Arbeitslosigkeit steigt und die Investitionen in den grünen Wandel bedroht werden", sagt Jordi Schröder Bosch, Forscher bei der Nichtregierungsorganisation Positive Money.

Darüber hinaus liegt die sogenannte Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie-, Lebensmittel-, Alkohol- und Tabakpreise herausgerechnet werden, mit 5,2 Prozent immer noch auf dem höchsten Wert seit Gründung der Währungsunion.

Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von zwei Prozent an

Die hohe Kerninflation schürt die Sorge, der Preisschub könnte sich mittelfristig festsetzen. "Der EZB-Rat tappt derzeit im Dunkeln, wann mit einem nennenswerten Rückgang der Kerninflation zu rechnen ist", sagte ZEW-Volkswirt Friedrich Heinemann. Die Notenbanker hätten in den letzten zwei Jahren lernen müssen, wie schlecht sich die Inflation jenseits eines Zeithorizonts von einem Jahr prognostizieren ließe. "Es ist daher nur folgerichtig, dass die derzeitige Mehrheit im EZB-Rat erst einen substanziellen Rückgang in der Kernrate sehen will, bevor die Zinserhöhungen zum Ende kommen." Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von zwei Prozent an. Allerdings prognostiziert die Notenbank selbst, dass die Inflationsrate in diesem Jahr 6,3 Prozent betragen werde. Für 2024 werden 3,4 Prozent erwartet.

Auch die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat angesichts der hohen Inflationsrate ihre Zinserhöhungen fortgesetzt - am Mittwoch legten die Währungshüter 0,25 Prozentpunkte drauf. Das war ein deutlich kleinerer Zinsschritt als viele Male zuvor. Die Bank of England erhöhte ihren Leitzins am Donnerstag um 0,5 Prozentpunkte auf vier Prozent. Das war bereits der zehnte Zinsschritt in Serie. In Großbritannien liegt die Inflationsrate derzeit bei 10,5 Prozent.

Die EZB-Entscheidung zeigte Wirkung an den Börsen. Die Investoren mögen niedrige Zinsen und sie rechnen damit, dass die Inflation in diesem Jahr deutlich zurückgehen und dann die straffe Geldpolitik der Währungshüter bald ein Ende finden könnte. Der Dax erreichte mit 15 400 Punkten die beste Notierung seit Mitte Februar 2022. Der Euro kostete mehr als 1,10 US-Dollar - so stark war die Gemeinschaftswährung seit neun Monaten nicht mehr.

Mit ihren Zinserhöhungen möchten die Notenbanker auch verhindern, dass sich die Höhe der Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Je stärker Verbraucher daran zweifeln, dass die Inflation mittelfristig wieder auf das normale Maß zurückgeht, desto mehr könnte sich der Preisanstieg psychologisch verfestigen. Unternehmen würden dann womöglich auf Basis ihrer Inflationserwartungen höhere Preise für ihre Produkte verlangen - und Arbeitnehmer wiederum höhere Löhne. Es bestünde die Gefahr einer Inflationsspirale. Lagarde sagte, die Notenbank beobachte die Lohnabschlüsse und Verhandlungen sehr genau.

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