Inflation:Gesucht: der richtige Zeitpunkt für eine Zinssenkung

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Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht während der EZB-Pressekonferenz. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Die EZB-Währungshüter streiten: Soll die Notenbank runter mit den Zinsen, um die Wirtschaft zu stärken? Oder kommt dann die hohe Inflation zurück?

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es wird nun schon seit vielen Wochen darüber spekuliert, wann die Europäische Zentralbank zum ersten Mal den Leitzins senkt. Die verantwortlichen Notenbanker im EZB-Rat sind sich uneinig und verfolgen in ihren öffentlichen Aussagen eine "Kommt drauf an"-Argumentationslinie, die mal in die eine, mal in die andere Richtung tendiert. Man darf das Ganze als Ausdruck großer Unsicherheit werten, denn am Ende werden Beginn und Anzahl der Zinssenkungen von der "Inflation abhängen", wie es EZB-Chefvolkswirt Philip Lane dieser Tage mit entwaffnender Logik ausdrückte.

Die Inflation ist inzwischen deutlich zurückgegangen. Im Januar betrug der Wert für die Euro-Zone 2,8 Prozent. Das ist etwas weniger als im Dezember, liegt aber immer noch deutlich über dem Ziel der Währungshüter. Die Notenbank möchte für Europas Wirtschaft mittelfristig exakt zwei Prozent Teuerung erreichen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt daher vor einer überhasteten Zinssenkung. "Das Letzte, was ich möchte, ist, dass wir eine übereilte Entscheidung treffen, um dann die Inflation wieder steigen zu sehen und weitere Maßnahmen ergreifen zu müssen", sagte Lagarde am Donnerstag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. Die Notenbank benötige noch mehr Daten. Sie werde weiter datengestützt vorgehen und von Sitzung zu Sitzung entscheiden.

Die Währungshüter haben seit Juli 2022 zehnmal in Serie die Zinsen angehoben, zuletzt geschah dies im September 2023. Seitdem beträgt der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, 4,5 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, mit dem die Notenbank Überschussgelder der Geschäftsbanken verzinst, notiert bei vier Prozent - das ist der höchste Stand in der Geschichte der Währungsunion.

Die hohen Leitzinsen zeigen Wirkung. Banken vergeben weniger Kredite, Firmen und Konsumenten scheuen die hohen Zinskosten. Die Immobilienmärkte haben sich merklich abgekühlt, vor allem im Gewerbesektor. Deutschland leidet wirtschaftlich am stärksten, aber auch in der Euro-Zone insgesamt sind die Wachstumsaussichten eher mau. Es kann daher nicht überraschen, dass die Rufe nach Leitzinsabsenkung immer lauter werden. In der Politik, in der Wirtschaft, aber auch unter Notenbankern.

Für EZB-Ratsmitglied Fabio Panetta rückt der Zeitpunkt "für eine Umkehr des geldpolitischen Kurses schnell näher". Sein portugiesischer Kollege Mário Centeno benennt der Grund: "Wir können keine Wirtschaft haben, die nicht wächst, das ist meine Hauptsorge für Europa."

Die Angst vor der Lohn-Preis-Spirale

Allerdings ist es ja das ausdrückliche Ziel der straffen Zinspolitik, die Wirtschaft abzukühlen. Die rückläufige Nachfrage, so die Überlegung, senkt den Preisdruck. Die Frage ist, wie stark die Wirtschaft abgekühlt werden soll, um ein Wiederaufflammen der hohen Inflationsraten auszuschließen. Die Sorge: Weil die Arbeitslosigkeit in Europa so niedrig ist wie noch nie und Gewerkschaften hohe Löhne durchsetzen, könnte sich eine Lohn-Preis-Spirale entwickeln. Das würde bedeuten: Unternehmen schlagen die Lohnkosten auf die Preise drauf, was wiederum neue Lohnforderungen auslöst.

Das Lohnwachstum stehe nicht im Einklang mit dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent, meint der belgische Notenbankchef Pierre Wunsch. "Ohne die kräftigen Lohnsteigerungen könnte die Lockerung der Geldpolitik bereits beginnen." EZB-Direktorin Isabel Schnabel mahnte in einem Interview mit der Financial Times angesichts der hartnäckigen Inflation im Dienstleistungssektor, eines robusten Arbeitsmarktes und der geopolitischen Spannungen am Roten Meer zu "Geduld und Vorsicht" bei der Zinspolitik.

Die nächste EZB-Zinssitzung ist am 7. März, da wird nach Ansicht der Experten an der Zinsschraube nicht gedreht. An den Finanzmärkten hält man die erste Zinssenkung im April für möglich. Andere blicken auf die Sitzung im Juni, wenn wichtige Lohndaten vorliegen. Am Ende wird es - wenig überraschend - von der Inflation abhängen.

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