Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff:Über den Dächern von Essen

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Pleite? "Solche Meldungen kosten mich nur ein Lächeln." Thomas Middelhoff gibt sich ganz entspannt. (Foto: dpa)

Um Fragen zu entgehen, klettert Manager Middelhoff "wie die Katze" aus einem Gerichtsgebäude. Nach dem Fenstersprung fragen sich manche, ob der Bielefelder mit Wohnsitz Saint-Tropez das Gefühl für die Realität verliert.

Von Uwe Ritzer

In besseren Zeiten war Thomas Middelhoff einer der mächtigsten Manager dieses Landes. Er führte den Medienkonzern Bertelsmann, dann Arcandor. Ein Mann mit Reputation. Alles vorbei! In Essen steht Middelhoff vor dem Landgericht, weil er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Kosten für Privatflugzeuge unrechtmäßig bei Arcandor abgerechnet haben soll. Untreue in 49 Fällen lautet der Vorwurf. Daneben ist Middelhoff von Gläubigern umstellt. Es geht um hohe Millionenforderungen und dahinter steht die Frage, ob Middelhoff womöglich pleite ist.

Fragen nach seinen persönlichen Vermögensverhältnissen begegnet er in der Regel mit dem Hinweis, der Gläubiger schulde ihm umgekehrt ja noch viel mehr Geld. Oder mit dem Versprechen, dass eine Versicherung bezahlen werde. Er und pleite? "Solche Meldungen kosten mich nur ein Lächeln", sagte Middelhoff erst vor wenigen Wochen und klopfte dem Fragesteller jovial lächelnd auf die Schulter.

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Am Freitag wählte er einen für Seinesgleichen eher ungewöhnlichen Weg, um lästigen Fragen aus dem Weg zu gehen. Um vor der Tür wartenden Journalisten zu entgehen, hüpfte der sportlich-drahtige Middelhoff kurzerhand aus einem Fenster im ersten Stock des Gerichtsgebäudes. Eine kurzfristig organisierte Leiter für den Abstieg hatte sich als zu kurz erwiesen. "Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße", erzählte Middelhoff der dpa. "Anschließend bin ich fröhlich pfeifend zu einer Nebenstraße gegangen, habe mir ein Taxi gewunken und bin zu Gesprächen und Verhandlungen geflogen."

Coolness oder Realitätsverlust?

Menschen, die Thomas Middelhoff länger kennen, fragen sich angesichts solcher Töne inzwischen, ob der Bielefelder mit Wohnsitz Saint-Tropez tatsächlich so abgezockt und cool ist, oder ob ein Realitätsverlust eingesetzt hat. Denn der Essener Fenstersprung geschah just an dem Tag, an dem Middelhoff vor dem Gerichtsvollzieher per Eidesstattlicher Versicherung seine Vermögensverhältnisse offenlegen musste. Im Volksmund nennt man das Offenbarungseid. Middelhoffs früherer Geschäftspartner, der Unternehmensberater Roland Berger, hatte ihn gerichtlich dazu gezwungen. Seine Forderungen belaufen sich auf 7,5 Millionen Euro.

Der Vorgang könnte sich Anfang dieser Woche wiederholen. Nach SZ-Informationen zwingt ihn nun auch sein früherer Vermögensverwalter Josef Esch zum Offenbarungseid. Das Landgericht Bielefeld hat einen entsprechenden Antrag am Freitag durchgewunken, bestätigte ein Esch-Sprecher. Es geht um 2,5 Millionen Euro Charterkosten für eine Yacht. Weitere Forderungen haben der Insolvenzverwalter von Arcandor (3,4 Millionen) und die Bank Sal. Oppenheim (70 Millionen Euro).

"Eine überschaubare Relation", findet Middelhoff, denn "umgekehrt verlange ich über 200 Millionen Euro". Sein Problem sei aktuell mangelnde Liquidität, weil Sal. Oppenheim seit fünf Jahren sein dort angelegtes Geld blockiere. Roland Berger aber wolle Bares sehen.

Für Middelhoff einstehen wird zumindest ein Großteil jener 40 Millionäre, die mit ihm und seiner Frau an Fondsgesellschaften beteiligt sind. Auch dort kommt er angeblich Zahlungsverpflichtungen nicht nach. Um das Zusammenbrechen der Fonds zu verhindern, will ein Großteil der Millionäre nun einspringen. Und vermutlich versuchen, sich das Geld hernach von Middelhoff zurückzuholen. Der aber gibt sich nach wie vor gelassen. Man werde alles klären, sagt er. "Entweder gütlich, oder vor Gericht." Dem Gerichtsvollzieher soll Thomas Middelhoff sein Vermögen mit "etwas über 100 Millionen Euro" angegeben haben.

© SZ vom 28.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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