Börse:Rekord-Kurssturz bei chinesischer Immobilienfirma Evergrande

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Das Logo von Evergrande auf Wohngebäuden in Nanjing. (Foto: Stringer/AFP)

Die Aktien des massiv verschuldeten Immobilienentwicklers sind um 87 Prozent gefallen - und jetzt so billig wie noch nie. Und die Frage ist: Kommt Evergrande da jemals wieder raus?

Kein Unternehmen steht so sehr für die chinesische Wirtschaftskrise wie der einstmals größte Immobilienkonzern der Welt, Evergrande. Fast eineinhalb Jahre waren dessen Aktien vom Handel ausgesetzt. Nun sind die Evergrande-Papiere wieder an der Börse gelistet - und haben sich prompt mit einem historischen Kurssturz zurückgemeldet. Die Aktien des weltweit am höchsten verschuldeten Immobilienentwicklers fielen am Montag in Hongkong um fast 87 Prozent und waren mit 0,22 Hongkong-Dollar so billig wie noch nie. Der Börsenwert schrumpfte um umgerechnet etwa 2,2 Milliarden auf 342 Millionen Euro. Im Jahr 2017 hatte die Marktkapitalisierung zeitweise bei fast 50 Milliarden Euro gelegen.

Evergrande war in einer Phase groß geworden, als Chinas Immobilienmarkt boomte und für die Konzerne galt: fressen oder gefressen werden. Um weiterzuwachsen, wurden Wohnungen verkauft. Sogar noch bevor überhaupt mit dem Bauen angefangen wurde. Und dennoch reichte das Geld nicht. So verschuldete sich das Immobilienunternehmen auf über 300 Milliarden Dollar - noch so ein Weltrekord. Evergrande war damit kein Außenseiter, sondern Symptom einer wachsenden Blase, der Chinas Anführer Xi Jinping irgendwann nicht mehr tatenlos zusehen konnte. Daher erließ er vor drei Jahren strenge Schuldengrenzen. Kurz darauf konnte Evergrande seine Schulden nicht mehr bedienen. Vor einigen Wochen beantragte der Konzern Gläubigerschutz in den USA, da sich die Auslandsschulden auf fast 30 Milliarden Euro summieren.

Inzwischen ist Chinas Immobilienbranche insgesamt in der Krise. Zuletzt war die bislang als solide geltende Firma Country Garden in die Schlagzeilen geraten. Der auf Projekte in kleineren Städten spezialisierte Immobilienentwickler hatte den Handel mit einem Teil seiner Anleihen gestoppt, nachdem er vor einem Verlust im ersten Halbjahr von umgerechnet bis zu sieben Milliarden Euro gewarnt hatte. Insgesamt ist Country Garden mit umgerechnet etwa 180 Milliarden Euro verschuldet. Die Schuldenprobleme des Immobiliensektors weiten sich auch auf den chinesischen Finanzsektor aus. Zuletzt ist der Finanzdienstleister Zhongrong International Trust, der rund 80 Milliarden Euro Anlagen verwaltet, in Zahlungsprobleme geraten.

Die Probleme dürften vorerst anhalten. "Die Regierung versucht seit Jahren, die im Immobiliensektor schlummernden Risiken kontrolliert aufzulösen", erklärt Ökonom Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin: "Der Immobiliensektor wird derzeit gesundgeschrumpft, mit schmerzhaften Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum." Denn der Immobiliensektor macht mit angebundenen Industrien je nach Schätzung ein Viertel bis Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung aus.

Zwar versucht die Regierung gegenzusteuern. Etwa, indem sie Banken anweist, günstige Kredite für Immobilienprojekte zu vergeben. Doch halten sich die Chinesen mit dem Kauf neuer Wohnungen zurück. In vielen Familien macht sich Verunsicherung breit, weil der Wert ihrer Eigentumswohnungen sinkt. Rund 70 Prozent der Ersparnisse der Mittelschicht stecken jedoch in Immobilien. Die Verunsicherung macht sich auch an der Ladenkasse bemerkbar. Die Nachfrage der chinesischen Konsumenten ist so schwach, dass sich die Händler nur noch mit hohen Rabatten zu helfen wissen. Inzwischen ist die Wirtschaft offiziell in die Deflation gerutscht. Die Verbraucherpreise steigen nicht mehr, sondern sinken sogar leicht.

Gerichte müssen über Umschuldung entscheiden

Für Evergrande selbst war die Rückkehr an die Börse eigentlich ein Schritt zur Normalisierung. Der Konzern hatte am Freitag mitgeteilt, alle geforderten Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Handels "angemessen" erfüllt zu haben. Hierzu gehört unter anderem die Veröffentlichung ausstehender Finanzberichte. Der Konzern konnte damit zwar einen Zwangsrückzug von der Hongkonger Börse abwenden. Ausgestanden ist die Krise für Evergrande aber noch lange nicht, so Finanzmarkt-Experte Steven Leung vom Brokerhaus UOB-Kay Hian. "Es gibt wenig Hoffnung, dass Evergrande allein durch den Verkauf von Wohnungen seine Schulden zurückzahlen kann." Chinesische Käufer bevorzugten staatliche Immobilienentwickler. Außerdem werde Evergrande nicht von Konjunkturhilfen der Regierung profitieren können.

Im ersten Halbjahr 2023 halbierte Evergrande Angaben vom Wochenende zufolge den Verlust auf umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig sei der Umsatz um 44 Prozent auf 16,3 Milliarden Euro gestiegen. Die weitere Zukunft hänge an einer Verlängerung von Rückzahlungsfristen sowie einer erfolgreichen Umschuldung der Auslandsverbindlichkeiten. Über Letzteres sollen im September Gerichte in Hongkong und auf den Cayman Islands entscheiden.

© SZ/Reuters/dpa/fml - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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