Immobilienkrise in China:Evergrande: Vom Immobilien-Star zum Krisen-Symbol

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Ein Wohnhauskomplex des chinesischen Immobilienkonzerns Evergreen. Vor allem die Krise im Immobiliensektor habe die Mittelschicht verunsichert. (Foto: NOEL CELIS/AFP)

Es ist das am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen der Welt: der chinesische Konzern Evergrande. Nun hat er einen Antrag auf Gläubigerschutz in den USA gestellt.

Es gibt Titel, mit denen prahlt man gerne. Jahrgangsbester etwa. Oder auf die Wirtschaft bezogen: nachhaltigstes Unternehmen des Jahres. Oder arbeitnehmerfreundlichstes. Oft sind das Quatsch-Titel, die sich aber ganz toll anhören. Und dann gibt es Titel, die werden einem verliehen, obwohl man sie gar nicht haben möchte. Bei Evergrande dürfte das der Fall sein: Es gilt als das am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen der Welt. Nun hat das chinesische Unternehmen in den USA einen Antrag auf Gläubigerschutz gestellt. Damit wolle sich Evergrande vor Forderungen von Gläubigern in den Vereinigten Staaten schützen. Das geht aus Dokumenten des Konkursgerichts in Manhattan vom Donnerstag hervor. Zuvor berichteten die Nachrichtenagentur Bloomberg und andere US-Medien.

Nach einer Regelung des US-Insolvenzrechts können ausländische Unternehmen vor Klagen von amerikanischen Gläubigern geschützt werden, während sie in einem anderen Land umstrukturieren. Darauf hat sich Evergrande nun berufen.

Der chinesische Konzern steckt schon länger in der Krise. Nach eigenen Bilanzdaten hat er in den vergangenen zwei Jahren umgerechnet einen Verlust in Höhe von 72 Milliarden Euro gemacht. Insgesamt belaufen sich die Schulden des ehemals größten Bauunternehmens Chinas damit auf 2,4 Billionen Yuan. Umgerechnet sind das 300 Milliarden Euro - einen höheren Schuldenberg hat keine andere Immobilienfirma weltweit vorzuweisen. Evergrande ringt mit seinen Gläubigern seit Längerem um den Abbau dieses Schuldenbergs. Im Januar 2022 kündigte der Konzern einen Restrukturierungsplan an.

Im März dieses Jahres hatte Evergrande den Gläubigern im In- und Ausland eine Umschuldung vorgeschlagen. Teil davon war das Angebot, ihnen Anteile an den Tochtergesellschaften zu überlassen. Darunter war auch die Elektroautotochter Evergrande NEV. Die Aktien von China Evergrande sind seit mehr als einem Jahr vom Handel in Hongkong ausgesetzt, auch weil zahlreiche Untersuchungen laufen.

Die Immobilienkrise in China schwappt auch in andere Bereiche

Was bei den heutigen Zahlen nur noch schwer vorstellbar ist: Einst war Evergrande der Star am chinesischen Wohnungsmarkt. Hinter dem Firmenimperium Evergrande steht der Milliardär Xu Jiayin, der sich selbst meist Hui Ka Ya nennt. Nach seiner Karriere in einem staatlichen Stahlwerk gründete er das Unternehmen 1996. Dabei profitierte er nicht nur von besten Beziehungen zur Kommunistischen Partei, sondern auch vom Bauboom in China. 2017 wurde er vom Wirtschaftsmagazin Forbes zum reichsten Mann Asiens gekürt.

Doch der Konzern geriet in Schieflage, nachdem die Immobilienblase in China geplatzt war. Der Bausektor in China hatte seit Ende der 90er Jahre einen Boom verzeichnet und war lange Zeit für Millionen von Chinesen der wichtigste Weg, um Wohlstand zu erreichen. Doch viele Unternehmer verschuldeten sich immer mehr. Chinas oberster Führer Xi Jinping ordnete deswegen an, dass Häuser zum Wohnen und nicht zur Spekulation dienen sollten. Dann, im Jahr 2020, ging die Regierung hart gegen übermäßige Kreditaufnahme vor. Sie schränkte etwa die Möglichkeiten von Immobilienunternehmen ein, sich Geld zu beschaffen - und löste so eine Reihe von Zahlungsausfällen aus. Große Bauträger schaffen es seitdem immer wieder nicht, Projekte fertigzustellen. Die Folge sind zahlreiche Bauruinen und Insolvenzen. Evergrande gilt hierbei als Symbol für diese Immobilienkrise.

Zuletzt wuchs die Sorge um einen weiteren großen chinesischen Immobilienentwickler. Das Unternehmen Country Garden stürzte an der Börse ab, nachdem es zwei Kuponzahlungen für US-Dollar-Anleihen verpasst hatte. Zwar handelt es sich nur um Zinszahlungen in Höhe von 22,5 Millionen US-Dollar. Dennoch erinnerte das an Evergrande, wo die Probleme ähnlich begonnen hatten.

Die Immobilienkrise in China wirkt sich auch auf andere Wirtschaftssektoren aus - etwa auf die Finanzbranche. Zhongrong International Trust, einer der führenden Anbieter der in China weit verbreiteten Treuhandfonds, räumte jüngst Insidern zufolge gegenüber Investoren "kurzfristige Liquiditätsschwierigkeiten" ein. Auf das Geld aus den Treuhandfonds hatten viele Immobilienentwickler bei ihrer fast ungezügelten Expansion in den vergangenen Jahren gebaut.

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