Unternehmenssteuern:Mit Steuergerechtigkeit hat das gar nichts zu tun

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Blick auf die Samuel-Beckett-Brücke in Dublin: Googles Hauptquartier in Europa ist nicht zufällig in Dublin. Irland lockt mit niedrigen Steuersätzen. (Foto: Cathal Mac Bheatha/Unsplash)

Der internationale Kampf gegen Steuervermeidung ist nicht vergeblich. Aber manche Ideen schaden mehr als sie nützen - wie die der Europäischen Grünen.

Kommentar von Nikolaus Piper

Es ist einer der Widersprüche der Globalisierung: Autos, Flugzeuge, Smartphones und unzählige andere Produkte werden in internationalen Wertschöpfungsketten hergestellt. Für die Besteuerung der dabei erzielten Erträge jedoch sind weiter die Nationalstaaten zuständig, und das soll sich auch nicht ändern. Damit stellt sich die Frage, wie und wo transnationale Konzerne gerecht besteuert werden, also nach ihrem Einkommen und nach Maßgabe des Umfangs, in dem sie die Leistungen des jeweiligen Nationalstaats in Anspruch nehmen. Und wo es Grenzen gibt, da gibt es auch grenzüberschreitende Steuersparmodelle und Steueroasen.

Der Kampf gegen Steuervermeidung, Steuerverkürzung und Steuerverschiebung bedarf internationaler Vereinbarungen. Er ist auch nicht vergeblich. Mittlerweile haben viele Länder, darunter Deutschland, eine Meldepflicht für Steuersparmodelle und den automatischen Austausch von Kontoinformationen. Aber es stimmt schon - für eine gleichmäßige Besteuerung im Digitalzeitalter wären weit umfangreichere internationale Reformen nötig, und für die sind die Zeiten momentan nicht sehr günstig.

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Einige Politiker versuchen es nun mit Abkürzungen auf dem Weg zu diesen Reformen. Fast alle dieser Abkürzungen sind schädlich. Ein Beispiel dafür haben jetzt die Grünen im EU-Parlament vorgelegt. Sie veröffentlichten eine von ihrer Fraktion in Auftrag gegebene Studie, wonach große Unternehmen überdurchschnittlich von "Steuerprivilegien und Schlupflöchern" profitierten. Im Durchschnitt müssten Konzerne in der EU eigentlich 23 Prozent Steuer zahlen, tatsächlich seien es aber nur 15 Prozent. Je größer die Firma, desto mehr profitiere sie von "Steuerdumping". Die Studie dient den Grünen als Begründung für ihre Forderung, dass Großunternehmen künftig öffentlich darüber berichten müssen, in welchem Land sie wie viel Steuern zahlen.

Das Problem ist nur, dass sich das, was die Grünen und andere in die Studie hineinlesen, dort gar nicht wiederfindet. Weder lässt sich aus ihr ablesen, dass die Unternehmen besonders viel Steuern vermieden haben, noch dass Regierungen der Wirtschaft Steuergeschenke machten. Das zeigt sich schön am Beispiel Deutschland. Laut Studie liegt der "nominale" Steuersatz in der Bundesrepublik bei 30 Prozent, der "effektive", also das, was die Firmen tatsächlich zahlen, bei 20 Prozent, wobei unterstellt wird, dass hierin ein Skandal liegen könnte. Tatsächlich jedoch sind die von den Grünen genannten 30 Prozent nicht das, was die Firmen eigentlich zahlen müssten. Die Zahl ist einfach ein statistischer Mittelwert aus Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer, deren Sätze sich von Gemeinde stark unterscheiden. Warum nun zum Beispiel einige Firmen weniger Gewerbesteuer zahlen, sagt die Statistik nicht. Und schon gar nicht, dass dabei Steuervermeidung im Spiel sein könnte

Nur weil der effektive Steuersatz niedrig ist, muss noch nicht Steuervermeidung vorliegen

Noch deutlicher zeigt sich die Problematik der Statistik am Beispiel Irland, einem EU-Mitglied, dem von Kritikern bisher meist unfairer Steuerwettbewerb vorgeworfen wird. In Irland liegt nun der effektive Steuersatz bei 15,7 Prozent und damit höher als der nominale (12,5 Prozent). Im Nicht-EU-Mitglied Norwegen stellt die Studie eine noch größere Anomalie fest: 48,7 Prozent effektiver Steuersatz gegenüber nur 27,6 Prozent. Grund sind steuerliche Sonderregelungen für die Öl- und Gasindustrie.

Das sind alles interessante Ergebnisse. Nur - was haben sie mit Steuergerechtigkeit zu tun? Die Antwort: gar nichts. Die Unterschiede zwischen nominalen und effektiven Steuersätze taugen nicht zu Aussagen über die gleichmäßige Besteuerung von Unternehmen in der EU, wohl aber dazu, Populisten und ihren Kampf gegen das angeblich unsoziale Europa ein wenig zu unterstützen.

Das bedeutet nicht, dass die EU das Ringen um eine bessere Besteuerung transnationaler Unternehmen einstellen sollte, ganz im Gegenteil. Es ist zum Beispiel richtig, dass die Steuerbehörden von großen Firmen erfahren, wie hoch ihre Steuerlast in verschiedenen Ländern ist. Bis jetzt schon haben 70 Länder eine entsprechende internationale Vereinbarung unterzeichnet. Nicht richtig ist es, diese Pflicht auf immer mehr, immer kleinere Firmen auszudehnen. Nicht richtig ist es auch, Unternehmen zu zwingen, diese Zahlen auch noch zu veröffentlichen, aus dem einfachen Grund, dass dann weniger Länder bei der Vereinbarung mitmachen. Steuerpolitik ist eine langfristige Aufgabe, bei der die Nebenwirkungen berücksichtigt werden müssen.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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