Wiederaufbau:Die EU will die Ukraine mit weiteren Milliarden stützen

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Überflutete Häuser nach der Zerstörung des Staudamms in der Ukraine: Für das vom Krieg erschütterte Land will die EU mehr Geld aufbringen. (Foto: Evgeniy Maloletka/AP)

Krisen, Krieg und Inflation haben den EU-Haushalt so strapaziert, dass die Kommission zusätzliche Mittel von den Mitgliedstaaten verlangt. Mit Ausnahme der Gelder für die Ukraine wird das schwierig.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Ursula von der Leyen beginnt mit einer großen Zahl an diesem Dienstag, die ein paar Minuten später schon erstaunlich klein wirkt. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine hat die EU 30 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt bereitgestellt, die dort eigentlich für andere Zwecke vorgesehen waren. Hat Gelder umgeschichtet und das Budget ausgereizt, nur um der Ukraine finanziell helfen zu können. Einem Land, das nicht nur vom Horror des Krieges gezeichnet ist. Sondern ohne die Finanzhilfen aus dem Westen auch längst bankrott wäre. "Wir haben jeden möglichen Euro mobilisiert, um der Ukraine zu helfen", sagte die Kommissionspräsidentin.

Aber jetzt ist das Geld aufgezehrt, der Krieg dauert an und der Finanzbedarf der Ukraine ist mit Blick auf den Wiederaufbau kontinuierlich gestiegen. Nicht zuletzt deshalb drängte die Zeit, einen Fahrplan für weitere Ukraine-Finanzhilfen aufzustellen - in einem EU-Haushalt, der an allen Ecken und Enden ausgereizt ist, und der ursprünglich erst im kommenden Jahr überarbeitet werden sollte. Die Kommissionsmitglieder einigten sich bei ihrer wöchentlichen Sitzung am Dienstag auf Ukraine-Hilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro von 2024 bis einschließlich 2027. Damit stelle man "eine konstante und vorhersehbare Finanzierung des ukrainischen Bedarfs" sicher, sagte Haushaltskommissar Johannes Hahn. Wie bislang besteht das Paket aus Krediten und Zuschüssen: 33 Milliarden Euro sollen als langfristige Darlehen ausbezahlt werden, 17 Milliarden direkt überwiesen.

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Auf diesen Teil des angepassten EU-Haushalts dürften sich die Mitgliedstaaten noch rasch einigen. Über den Rest werden sie wohl streiten: Um insgesamt 65,8 Milliarden Euro zusätzlich bittet die Kommission die nationalen Regierungen, die über eine Anpassung des langfristigen, bis 2027 gültigen Haushaltsplans entscheiden müssen. Diesen sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen erstellt die Kommission stets für einen Zeitraum von sieben Jahren.

Lindner sieht keinen Spielraum

Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte Ende vergangener Woche vorsorglich verdeutlicht, dass er keinen Spielraum für höhere Überweisungen nach Brüssel sehe. "Angesichts der notwendigen Kürzungen in unserem nationalen Haushalt können wir derzeit keine zusätzlichen Beiträge zum Haushalt der Europäischen Union zeichnen", sagte er in einem Interview. Anderen Mitgliedstaaten gehe es ähnlich.

Zusätzliche Mittel verlangt die Kommission auch für den Umgang mit der gestiegenen Zahl an Migranten. 15 Milliarden Euro mehr als bislang geplant will die Kommission dafür mobilisieren. Die Mittel zur Umsetzung des vor zwei Wochen geschlossenen Asyl- und Migrationspakts sind da bereits eingerechnet. Das werde mehr Geld kosten, sagte Hahn, insbesondere mit Blick auf Asylverfahren an den Außengrenzen. Frisches Geld soll es zudem geben für syrische Flüchtlinge in Syrien und der Türkei, im Libanon und in Jordanien, sowie zur Unterstützung des Westbalkan-Staaten und der Länder Nordafrikas.

Nun wäre eine Haushalts-Überprüfung nicht komplett, wenn die Kommission nicht wieder neue Namen für altes Geld erfände, und damit neue Abkürzungen. Der Vorschlag von Dienstag sieht eine neue Plattform namens "Step" vor. Das steht für "Strategic priorities for Europe", also für strategische Prioritäten. Die Plattform soll Gelder aus bestehenden Fonds bündeln, die bislang nicht abgerufen wurden. Ziel sei es, bestehende Finanzmittel auf strategisch wichtige Projekte zu lenken, schreibt die Kommission, darunter Digital- und Hochtechnologie, Technologien für den grünen Wandel und Biotechnologie. Nicht zuletzt soll das die Auszahlung von Geldern aus dem 807 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds beschleunigen.

Der führte in der Zwischenzeit bereits zu einem unerwartet höheren Finanzbedarf. Denn zur Finanzierung des Fonds nimmt die Kommission erstmals nach und nach im großen Stil gemeinschaftliche EU-Schulden auf - und muss dafür erheblich höhere Zinsen zahlen als noch vor ein paar Jahren erwartet. Das werde nun zwischen 17 und 27 Milliarden Euro zusätzlich kosten, schätzt die Kommission. Die erste Rückzahlung ist 2028 fällig.

Kommissar Hahn sagte, er hoffe auf eine schnelle Einigung unter den Mitgliedstaaten. Mindestens in Sachen Ukraine muss bis Ende des Jahres eine Lösung her, um die Anschlussfinanzierung sicherzustellen. Seit Kriegsbeginn haben die EU und ihre Mitgliedstaaten nach Zahlen der Kommission insgesamt 53 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz, für den Staatshaushalt der Ukraine und für das Militär bereitgestellt. An diesem Mittwoch und Donnerstag ist in London eine internationale Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine geplant. Die Weltbank schätzt die nötigen Mittel für den Wiederaufbau des Landes auf mehr als 400 Milliarden Dollar, etwa das Dreifache der Wirtschaftsleistung.

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