Geldanlage:Was Sie über ETFs wissen müssen

Lesezeit: 4 Min.

Alles unter Kontrolle? Händler bei der Arbeit an der New Yorker Börse. (Foto: Brendan McDermid/Reuters)

Indexfonds gelten als einfache und häufig lukrative Geldanlage. Mehr als fünf Billionen Dollar stecken weltweit in solchen Papieren. Die Vor- und Nachteile im Überblick.

Von Harald Freiberger

Irgendwann in diesem Sommer muss es passiert sein. Irgendein Anleger hat irgendwo auf der Welt eine Rekordmarke aufgestellt. Wann, wer und wo es genau war, weiß man nicht, sicher aber ist, dass der Rekord gefallen ist, ein Rekord, der zeigt, wie die Welt der Geldanlage in kurzer Zeit revolutioniert wurde. Irgendwann im Sommer wurde der fünfbillionste Dollar in ETF angelegt, die Summe ist seit Jahresanfang von 4,7 auf 5,2 Billionen Dollar gestiegen, in Zahlen: 5 200 000 000 000 Dollar. Der enorme Aufstieg zeigt, welch geniale Idee es war, vor 25 Jahren die Produkte einzuführen. Doch je mächtiger die Anlageform wird, umso mehr stellt sich auch die Frage, welche Risiken ETF für die Finanzmärkte bergen.

Was sind ETF genau?

Ausgeschrieben heißen sie Exchange Traded Funds, es handelt sich also um börsengehandelte Fonds. Sie werden auch "passive Fonds" genannt, weil sie einen Index eins zu eins abbilden - im Gegensatz zu aktiv gemanagten Investmentfonds, bei denen Personen darüber entscheiden, welche Wertpapiere gekauft werden. Ein Index bildet immer einen Markt ab. Der bekannteste in Deutschland ist der Deutsche Aktienindex (Dax), in dem sich die 30 größten Aktiengesellschaften Deutschlands befinden. Weitere wichtige Aktienindizes sind der S&P 500 für die USA, der Euro Stoxx 50 für die Eurozone, der MSCI World für die Industriestaaten oder der MSCI Emerging Markets für die Schwellenländer. Es gibt auch ETF für Anleihen, Rohstoffe und andere Produkte.

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Wie funktionieren sie?

Vom Prinzip her kauft der Anbieter des ETF die Wertpapiere genau in dem Anteil, in dem sie auch im Index gewichtet sind. Beispiel Dax: Der Softwareanbeiter SAP hat ein Gewicht von 15 Prozent. Investieren Anleger in den Dax-ETF eine Milliarde Euro, kauft der Anbieter für 150 Millionen Euro SAP-Aktien - und die übrigen 29 Werte nach ihrem jeweiligen Gewicht. Da sich die Gewichte täglich verändern, muss ein ETF dies auch ständig anpassen. Dies geschieht in einem komplizierten Prozess, bei dem sogenannte Market Maker ETF-Anteile gegen die jeweiligen Aktien tauschen. Noch komplizierter wird es, wenn ein Index aus vielen Aktien besteht, so wie der MSCI World, der 1600 Werte aus allen Industrienationen zusammenfasst. Ein ETF beschränkt sich dann in der Regel darauf, eine repräsentative Auswahl der größeren Werte zu kaufen. Werden sie direkt gekauft, spricht man von "physischer Replikation". Es gibt auch "synthetische Replikation", dabei bildet der Anbieter einen Index über Tauschgeschäfte (Swaps) ab, wobei meist Banken als Tauschpartner einspringen. Der Trend geht seit einigen Jahren hin zur physischen Replikation.

Seit wann gibt es sie?

Als Erfinder gilt der US-Amerikaner John Bogle, Gründer der Investmentfirma Vanguard. Er ärgerte sich über die hohen Gebühren anderer Fonds, deshalb brachte er schon 1975 den ersten Indexfonds auf den Markt. In der börsengehandelten Form gibt es sie seit 1991. In Europa kam der erste ETF im Jahr 2001 auf den Markt.

Wie viel Geld ist in sie investiert?

Weltweit waren es Ende September nach Daten des Vermögensverwalters Blackrock genau 5,242 Billionen Dollar. Davon entfallen 4,2 Billionen Dollar auf Aktien-ETF. Das entspricht 20 Prozent aller aktiven und passiven Aktienfonds. Heißt: Jeder fünfte Dollar, der weltweit in einem Aktienfonds investiert ist, liegt bereits in ETF. Anleihen-ETF vereinen 650 Milliarden Dollar auf sich, bei Rohstoffen und anderen sind es 200 Milliarden. Amerikaner haben 3,7 Billionen Dollar in die ETF-Produkte angelegt, Europäer 850 Milliarden Dollar. Mehr als 20 Milliarden Euro liegen inzwischen in den Händen deutscher Privatanleger.

Wer sind die Anbieter?

In den USA sind Vanguard und die Blackrock-Tochter iShares Marktführer. Auch in Europa liegt iShares mit einem Anteil von knapp 50 Prozent deutlich an der Spitze. Dahinter folgen mit jeweils rund zehn Prozent Marktanteil Xtrackers, die ETF-Tochter der Deutschen Bank, und Lyxor, eine Tochter der französischen Großbank Société Générale. Weitere größere Anbieter in Europa sind Amundi, UBS und Comstage, die frühere ETF-Tochter der Commerzbank, die an Société Générale verkauft wurde.

Was sind die Vorteile?

Anleger können über ETF breit gestreut, das heißt zu einem geringeren Risiko, in die Kapitalmärkte investieren. Das ist ein unschätzbarer Vorteil. Der andere große Vorteil sind die niedrigen Kosten, da ETF keinen Fondsmanager brauchen, sondern automatisiert funktionieren. Die Gebühren für große Indizes wie Dax oder S&P 500 liegen gerade mehr bei rund 0,1 Prozent im Jahr, beim MSCI World sind es 0,3 bis 0,5 Prozent. Aktiv gemanagte Fonds dagegen verlangen kaum unter einem Prozent, manche auch zwei Prozent, hinzu kommt häufig eine Kaufgebühr von bis zu fünf Prozent.

Was sind die Nachteile?

Institutionen wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder der Internationale Währungsfonds haben sich mit den Risiken von ETF bereits befasst. Das Fazit: Eine konkrete Bedrohung für die Finanzstabilität lässt sich aus dem ETF-Boom nicht ableiten. "Bisher haben sich ETF in der Dotcom-Krise und in der große Finanzkrise bewährt", sagt Franz Rieber, ETF-Experte beim Münchner Medienunternehmen Isarvest. Die drei größten Anbieter hielten zwar 80 bis 90 Prozent aller ETF-Anlagen, doch bei einem Börsencrash würde ihr Vermögen nicht geschädigt; die Buchverluste beträfen nur die Anleger. Allein die Einnahmen der Fondsgesellschaften aus Aktien-ETF würden geringer ausfallen. Manche Experten warnen davor, dass ETF die Probleme bei einem Crash möglicherweise verstärken, weil die Kurse verrückt spielen könnten, wenn alle auf einmal verkaufen wollen.

Worauf sollten Anleger achten?

Eine aktuelle Studie der Quirin Privatbank weist darauf hin, dass es bei ETF überraschend große Unterschiede in der Rendite gibt. Der Grund: Es spielen dabei auch andere Faktoren eine Rolle als die Gebühren, zum Beispiel Transaktionskosten und Steuern. Wer etwa vor zehn Jahren 50 000 Euro in einen Dax-ETF investierte, hat jetzt beim besten Anbieter (Deka) 3305 Euro mehr auf dem Konto als beim schlechtesten (Lyxor). In der Tendenz schneiden Deka, Xtrackers und iShares gut ab. "Wenn ein ETF seinem Index über längere Zeit gut und stabil gefolgt ist, kann er auch für aktuelle Anlageentscheidungen in die engere Wahl kommen", sagt Kai Hattwich von der Quirin Privatbank, die auf Honorarberatung spezialisiert ist. Es gebe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich das gute Abschneiden auch in Zukunft fortsetzen werde. Generell empfiehlt die Quirin Privatbank bei Aktien-ETF eine möglichst internationale Ausrichtung.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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