Energiekrise:Zwischen 17 und 18 Uhr bitte nicht waschen

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Wie hier in einer Straße in Saffron Walden sind in Großbritannien viele Häuser nur schlecht gedämmt. Das bedeutet, dass sie enorm viel Energie zum Heizen brauchen. (Foto: IMAGO/Panthermedia)

Wegen Kälte und Flaute werden in Großbritannien erstmals Haushalte belohnt, die Strom sparen. Doch nicht jeder kann so einfach eine Gutschrift bekommen.

Von Alexander Mühlauer, London

Englische Häuser sind wahrlich nicht für den Winter gemacht, schon gar nicht für diesen eiskalten Januar. Teile Großbritanniens erleben derzeit die kältesten Tage seit den Achtzigern, da wäre eine Doppelverglasung der Fenster natürlich vorteilhaft. Doch die sucht man bei vielen Häusern vergeblich. Stattdessen: null Dämmung, undichte Dächer, Einfachverglasung. Da bleibt eben nichts anderes übrig, als die Heizung voll aufzudrehen. Kein Wunder, dass man in Großbritannien die Energiekrise sehr viel stärker zu spüren bekommt als im vollwärmegeschützten Deutschland.

Um die Kälte einigermaßen in den Griff zu kriegen, haben sich viele britische Haushalte elektrische Heizkörper angeschafft. Auch das kostet Geld, doch nun hat das Land ein Problem mit der Stromversorgung. Es ist nicht nur bitterkalt, es weht auch kaum Wind, die Offshore-Parks liefern weitaus weniger Strom als zu dieser Jahreszeit üblich. Und so hat der britische Strom- und Gasnetzbetreiber National Grid die Menschen zum Stromsparen aufgefordert. Damit das auch passiert, gibt es Geld.

Zum ersten Mal überhaupt hat National Grid in dieser Woche ein Stromsparprogramm gestartet, um das Netz an besonders kalten Tagen zu entlasten. Wer etwa am Dienstag zwischen 16.30 und 18 Uhr darauf verzichtete, Stromfresser wie Waschmaschine, Geschirrspüler oder Herd anzuschalten, bekam dafür eine Gutschrift. Die genaue Uhrzeit, in der Strom gespart werden soll, teilt National Grid immer ein paar Stunden zuvor mit, am Montag war es zum Beispiel eine Stunde von 17 bis 18 Uhr. Das Programm soll vorerst bis März laufen, in der Hoffnung, dass es bis dahin wieder wärmer wird.

Wer mitmachen will, braucht einen Smart Meter

Mitmachen können allerdings nur Haushalte, deren Stromversorger sich an der Aktion beteiligen. Bislang sind es 26 Anbieter, darunter British Gas, Eon und Shell. Außerdem benötigt man einen sogenannten Smart Meter, also einen intelligenten Stromzähler. Die kleinen Kästchen haben schon in vielen Häusern die alten Zähler mit ihren rotierenden Scheiben und mechanischen Anzeigen durch digitale Displays ersetzt. Mit Hilfe der intelligenten Zähler können zum Beispiel Wärmepumpen ausgeschaltet werden, wenn wenig Strom zur Verfügung steht und der Preis entsprechend hoch ist. Die Versorger erhalten dank intelligenter Stromzähler Informationen, die sie für die bedarfsgerechten Netzausbau und die optimale Nutzung der Netzkapazität brauchen.

Laut National Grid haben sich in Großbritannien mehr als eine Million Haushalte angemeldet, um beim Stromsparprogramm mitzumachen. Die Netzbetreiber wissen mit Hilfe der Smart Meter, wieviel Energie in einer Stromsparstunde verbraucht wurde. Dieser Wert wird dann mit dem üblichen Durchschnittskonsum während dieser Zeit verglichen. Für jede gesparte Kilowattstunde erhält ein Haushalt drei Pfund gutgeschrieben, also umgerechnet 3,40 Euro.

Bei National Grid ist man sehr darauf bedacht, dass die Menschen angesichts der angespannten Versorgungslage nicht in Panik geraten. Ein Sprecher sagte, dass die Menschen sich nicht sorgen müssten, es handle sich bei dem Stromsparprogramm lediglich um "eine Vorsichtsmaßnahme, um den notwendigen Puffer an freien Kapazitäten zu erhalten".

Bleibt die Frage, wie Großbritannien es schafft, sich langfristig unabhängiger von Wind und Wetter zu machen. Finanzminister Jeremy Hunt hat im vergangenen Jahr in seinem Haushaltsplan sechs Milliarden Pfund (6,8 Milliarden Euro) für die Isolierung von Häusern und die Modernisierung von Heizungen versprochen. Die Sache ist nur: Auch seine Vorgänger haben in den vergangenen zehn Jahren immer wieder Programme zur Energieeffizienz aufgelegt - doch die Nachfrage blieb eher bescheiden. Wie es aussieht, halten es viele Britinnen und Briten für unnötig, Geld für Vollwärmeschutz oder Doppelverglasungen auszugeben. Dafür ist das Klima auf der Insel einfach zu mild - mal abgesehen von diesem Winter.

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