Berlin (dpa) - In die Debatte um Folgen von Gas-Engpässen für deutsche Haushalte und Unternehmen schalten sich vor dem Tag der Arbeit auch Gewerkschafter ein.
„Egal, ob es einen Lieferstopp Russlands oder ein Embargo des Westens bei Gas gäbe - die Folgen für die deutsche Wirtschaft, für Arbeitsplätze und Wohlstand, wären gravierend“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann der „Rheinischen Post“ (Samstag). Daher fordert er Energiepreis-Begrenzungen: „Wir brauchen einen Deckel bei Strom- und Heizkosten: Bis zu 8000 Kilowattstunden im Jahr sollten die Preise gedeckelt werden, erst danach sollte der Marktpreis greifen“, sagte Hofmann.
Ähnliches fordert Verdi-Chef Frank Werneke. „Wir brauchen also ein durch den Staat garantiertes Gaspreis-Niveau auf dem Stand von 2021 für ein Volumen von beispielsweise 12 000 Kilowattstunden“, sagte Werneke in der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Das entspreche dem Verbrauch eines durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalts.
Die designierte Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, fordert angesichts des Ukraine-Kriegs einen Lastenausgleich: „Wir müssen die Vermögenssteuer wieder einführen. Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen brauchen dringend steuerliche Entlastung. Im Gegenzug sollen diejenigen mit sehr hohen Einkommen mehr zahlen.“ Der Krieg hat die Energiepreise deutlich steigen lassen.
Debatte irreführend?
Die Debatte um geschützte Kunden und Abschaltungen im Fall eines russischen Gas-Lieferstopps bezeichnete der Stadtwerkeverband VKU als irreführend. Zugleich sagte der VKU-Präsident und Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling, es sei „völlig verfehlt“, den Schutz der Privathaushalte und sozialen Einrichtungen in Frage zu stellen. Der Schutz der Privathaushalte entbinde den Einzelnen aber nicht von der Verantwortung, sorgsam mit Energie umzugehen. „Energie sparen ist in der gegenwärtigen Lage eine Frage der Solidarität.“ Denkbar sei, dass die Politik Anreize bei den Haushaltskunden für das Einsparen von Gas schaffe.
Zuvor hatten Wirtschaftsmanager gefordert, die Politik solle über eine „umgedrehte“ Reihenfolge beim Notfallplan Gas nachdenken und erst bei Privaten abschalten, dann bei der Industrie. Ein Notfallplan regelt das Vorgehen in Deutschland, wenn sich die Versorgungslage massiv zu verschlechtern droht. Es gibt drei Stufen. Die erste Stufe, die Frühwarnstufe, war von der Bundesregierung ausgerufen worden. In der letzten Stufe, der Notfallstufe, müsste der Staat einschreiten. Möglich wäre dann die Abschaltung von Industriekunden. Private Haushalte dagegen sind geschützt.
Haushalte sollen weiter Vorrang haben
Ebling sagte, die Rechtslage sei eindeutig. Haushalte und soziale Einrichtungen seien geschützte Kunden, die voranging mit Gas versorgt würden. „Und das ist richtig so. Zugleich gilt aber auch: Vor allem eine längere Gasmangellage verlangt schon jetzt, sich darauf vorzubereiten, Notfallpläne zu entwickeln und vorausschauend Energie zu sparen.“ Dafür müssten Politik und Bundesnetzagentur den Rahmen schaffen. „Energieversorgungsunternehmen, Industrie und Verbraucher müssen sich darauf einstellen können. Im Bedarfsfall müssen wir klug abwägen und flexibel handeln können.“
Ein längerer Gasmangel berge für die deutsche Wirtschaft enorme Herausforderungen. Es bestehe die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen, es könne zur Beeinträchtigung in der Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs kommen. „Wir müssen alle daher jetzt schon damit beginnen, Energie einzusparen.“
Auch aus Sicht von Verbraucherschützern darf der gesetzliche Schutz privater Haushalte nicht in Frage gestellt werden. Thomas Engelke, Teamleiter Energie und Bauen im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), sagte der Funke Mediengruppe (Samstag): „Im Falle von Versorgungsengpässen müssen private Haushalte als sogenannte geschützte Kunden weiter mit Erdgas und anderen Energien sicher versorgt werden.“ Das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Industrie, Handel und Gewerbe, der öffentliche Sektor und private Haushalte gemeinsam bewältigen müssten. „Alle müssen einen Beitrag leisten - auch schon vor einem Embargo.“
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