Elektromobilität:Was fehlt, sind die E-Autos, nicht die Ladestationen

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Viele Ladestellen für E-Autos sind, so wie hier in einer Tiefgarage in München, verwaist und werden nur wenige Male am Tag angefahren. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • In Deutschland gibt es mittlerweile 13 500 öffentliche Ladestationen für E-Autos - das macht etwa zehn Autos pro Station.
  • Von einem Engpass kann also keine Rede sein, auch wenn die Autohersteller das stets betonen.
  • Im Bundesländer-Vergleich ist das Gefälle bei der Versorgung mit Lademöglichkeiten allerdings noch immer groß.

Von Markus Balser, Berlin

Was am schleppenden Ausbau der Elektromobilität schuld ist? Deutschlands Autobranche verweist beim Henne-Ei-Problem gerne auf den Mangel an Stromzapfsäulen in den Städten. Deutschland müsse bei der Infrastruktur endlich aufholen, forderte Auto-Cheflobbyist Bernhard Mattes zuletzt auf einem Kongress. Um der Elektromobilität in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, seien schlicht mehr Ladestationen nötig, mahnte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Neue Zahlen zeigen nun allerdings, dass E-Auto-Besitzer in vielen Teilen Deutschlands inzwischen eine ganze Menge Ladestationen ansteuern können. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gibt es bundesweit 13 500 öffentliche Ladepunkte - 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Rein rechnerisch kommen bei den derzeit 130 000 Elektro- und Hybridautos damit etwa zehn Autos auf jede Station. Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein unabhängiges Expertengremium, empfiehlt etwa 12,5 Autos je Station, die EU-Kommission rät zu einer Quote von zehn zu eins. Von einem Engpass könne gar keine Rede sein, heißt es beim BDEW.

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Klar ist in jedem Fall: Die hohen Ziele der Bundesregierung beim Ausbau der Elektromobilität werden krachend verfehlt. Sie hatte eigentlich geplant, bereits 2020 die Schwelle von einer Million E-Fahrzeugen auf deutschen Straßen zu erreichen. Das gilt längst als nicht mehr machbar. Elektroautos machen hierzulande trotz aller politischen Ambitionen nach wie vor nur einen Bruchteil aller Neuzulassungen aus. Im ersten Halbjahr 2018 wurden insgesamt 17 000 Elektro-Pkw neu zugelassen, ein Marktanteil von weniger als einem Prozent. Die Zahlen der Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, die mit Strom und fossilen Energien betrieben werden können - fallen ähnlich klein aus. Von ihnen wurden im ersten Halbjahr 2018 ebenfalls knapp 17 000 für den Straßenverkehr freigegeben.

Angesichts solcher Zahlen wollen die Betreiber der Stationen wie Energieunternehmen oder Stadtwerke nicht länger den Kopf für die zögerliche Verbreitung hinhalten. "Wir fühlen uns von den Autobauern vorgeschoben", klagt Stefan Kapferer, der Chef des Branchenverbands BDEW. Es gebe gerade in den Ballungszentren längst genug Ladestationen. "Was fehlt, sind die passenden E-Autos", sagt Kapferer. Viele Stationen würden deshalb nur ein- bis dreimal am Tag genutzt und seien nicht rentabel. Der Verbandschef sieht die Autohersteller in der Pflicht. "Wenn die Elektromobilität den Durchbruch in Deutschland schaffen soll, muss die Autobranche endlich auch mehr Modelle auf den Markt bringen. Die Kaufprämie bringt nichts, wenn das Angebot nicht attraktiv genug und vor allem im Premiumsegment vorhanden ist", sagt Kapferer.

Bisherige Versuche, den Verkauf der E-Autos zu fördern, waren erfolglos

Allerdings ist das Gefälle bei der Versorgung mit Lademöglichkeiten noch immer groß. Im Vergleich der Bundesländer liegen Bayern (2715), Nordrhein-Westfalen (2365), Baden-Württemberg (2205) und Hessen (1179) vorne. Schlusslichter sind Brandenburg (124), Mecklenburg-Vorpommern (100), Bremen (91) und das Saarland (58). Gemessen an der Bevölkerung ist die Versorgung in Hamburg mit 43,4 Ladepunkten pro 100 000 Einwohner am besten, gefolgt von Bayern (21), Berlin (20,8) und Baden-Württemberg (20,1). Bei den Städten liegt Hamburg vor Berlin und München. In den Zahlen berücksichtigt sind öffentlich zugängliche Stationen etwa von Energieunternehmen, Stadtwerken, Parkplatz- oder Hotelbetreibern bis Ende Juni. Nicht mitgerechnet sind private Lademöglichkeiten, etwa in Garagen.

Dass sich noch immer 99 Prozent der Autofahrer im Alltag mit der Suche nach dem billigen Sprit und nicht der nächsten Stromzapfsäule beschäftigen, löst nun auch einen Streit um die Verteilung der Fördermittel aus. Denn die bisherigen Versuche, den Verkauf der E-Autos mit Kaufprämien zu fördern, sind erfolglos. Seit ziemlich genau zwei Jahren gibt es etwa den Umweltbonus. Der Kauf eines batteriebetriebenen Autos wird mit 4000 Euro und der eines Hybrid-Neufahrzeugs mit 3000 Euro bezuschusst. Bund und Autoindustrie teilen sich die Kosten. Doch von den 600 Millionen Euro an Bundesmitteln wurden bisher nur etwa 100 beansprucht. "Die Förderung fließt nur sehr zögerlich ab", sagt Kapferer. Die Regierung solle über eine Umverteilung nachdenken. Ein Teil der nicht abgeflossenen Mittel solle in den weiteren Aufbau der Ladeinfrastruktur fließen, da die große Koalition das Ziel auf 100 000 Ladepunkte bis 2020 erhöht hat.

Das könnte nötig werden, denn Volkswagen hat gerade angekündigt, nun selbst E-Autos auf hiesige Straßen zu bringen - mit einem neuen Carsharing-Angebot. Von 2019 an sollen bis zu 2000 Fahrzeuge in Berlin, dann auch andernorts unterwegs sein. Einen Seitenhieb auf die Netzbetreiber konnte sich VW nicht verkneifen: Mit Partnern wolle man nun selbst die Ladeinfrastruktur ausbauen.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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