Berlin (dpa) - Ausgerechnet in der Corona-Pandemie hat sich die Kluft zwischen Menschen mit geringerem Einkommen und Gutverdienern in Deutschland einer Studie zufolge etwas verringert.
Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verzeichneten vor allem Selbstständige, die meist zur oberen Hälfte der Einkommensgruppen zählen, Verluste durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Die Studie liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
„Schon in der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass sich die Einkommensungleichheit in Krisenzeiten reduziert, weil die oberen Einkommen stärker sinken als diejenigen der unteren Einkommensgruppen“, erläuterte Studienautor und DIW-Experte Markus Grabka. „In der Corona-Pandemie wirken sich die rückläufigen Einkommen von Selbstständigen besonders auf die Verteilung aus.“
Die sinkende Ungleichheit sei allerdings nur eine Momentaufnahme. „Zieht sich die Pandemie noch weit in das Jahr hinein und verschärfen sich die Eindämmungsmaßnahmen noch einmal, könnte dies mit steigenden Insolvenzzahlen und zunehmender Arbeitslosigkeit einhergehen und auch die Einkommenssituation in der Breite treffen“, warnte Grabka.
Der Studie zufolge verringerten sich die monatlichen Haushaltsnettoeinkommen der Selbstständigen im zweiten Lockdown um durchschnittlich 16 Prozent oder 460 Euro gegenüber dem Jahr 2019. Umsätze und Gewinne sind in einigen Wirtschaftsbereichen insbesondere im Dienstleistungssektor wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie teils deutlich gesunken.
Die Einkommen der Angestellten- und Beamtenhaushalte stiegen dagegen nominal um fünf Prozent. In den anderen Haushaltstypen blieben sie im Durchschnitt unverändert. Ausgewertet wurden Daten einer Sondererhebung des Sozio-oekonomischen Panels von Januar und Februar des laufenden Jahres.
Grabka forderte eine möglichst zielgenaue finanzielle Unterstützung von Selbstständigen und mittelständischen Unternehmen, um Insolvenzen und Geschäftsaufgaben zu verhindern. „So sollte die Bundesregierung darüber nachdenken, den von der Pandemie betroffenen Selbstständigen eine partielle Deckung der Lebenshaltungskosten zu gewähren“, sagte Grabka. Bislang werden vorwiegend fixe Betriebskosten abgedeckt. Zudem sollte die Politik prüfen, ob es notwendig sei, Unternehmen mit erheblichen Gewinnen und Dividendenzahlungen mittels Kurzarbeitergeld auch künftig zulasten der öffentlichen Hand zu helfen.
Nach einer jüngst veröffentlichten Untersuchung des Statistischen Bundesamtes gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) waren auch im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 Menschen mit höherem Einkommen häufiger von Einkommenseinbußen betroffen.
Die Folgen der Pandemie trafen Menschen mit Niedrigeinkommen allerdings besonders hart: Etwa jeder Fünfte gab an, in Finanznöten zu stecken oder dies zu befürchten. Die Befragungen liefen von Ende März bis Anfang Juli vergangenen Jahres.
Neben Selbstständigen (20 Prozent) schilderten an- und ungelernte Arbeiter (17 Prozent) und einfache Angestellte (14 Prozent) besonders häufig von Geldproblemen. Bei Menschen in qualifizierten Angestelltenberufen (9 Prozent) war der Anteil deutlich niedriger. „Die untersten Einkommensgruppen waren häufiger von Freistellungen und Arbeitslosigkeit betroffen und mussten häufiger vor Ort arbeiten“, erläuterte WZB-Experte Philipp Wotschack. „Die obersten Bildungs- und Einkommensgruppen waren häufiger in der Lage, ihre Arbeit auch im Home-Office zu erledigen.“
Grundsätzlich stagniert dem DIW zufolge die Einkommensungleichheit seit rund 15 Jahren. Zwar verringerte sich die Ungleichheit der Löhne seit Einführung des Mindestlohns 2015. Dies spiegele sich jedoch nicht bei den Haushaltseinkommen wider, zu denen beispielsweise auch Kapitalerträge zählen. Unter anderem der Börsenboom hatte nach jüngsten Daten der Deutschen Bundesbank das Geldvermögen der Menschen in Deutschland in der Summe Ende 2020 auf ein Rekordhoch getrieben.
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