USA:Ein Quantum Wahrheit

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Wieder unterwegs: Donald Trump im Oktober 2021 bei einer Kundgebung im US-Bundesstaat Iowa. (Foto: SCOTT OLSON/Getty Images via AFP)

Donald Trump hat von Investoren bereits 1,3 Milliarden Dollar für den Aufbau seines geplanten Medienimperiums eingesammelt. Unter den Geldgebern sind Überzeugungstäter und Spekulanten.

Von Claus Hulverscheidt

An falscher Bescheidenheit wird das Projekt jedenfalls nicht scheitern, so viel lässt sich nach Lektüre des schicken Investorenprospekts bereits sagen. Nicht einen Cent hat TMTG bisher verdient, dennoch sieht sich der mögliche neue Stern am US-Streaming- und Social-Media-Himmel bereits auf Augenhöhe mit den Großen der Branche: mit Twitter und Netflix, Disney und Hulu - ja, sogar Facebook mit seinen fast zwei Milliarden täglichen Nutzern wird in der 38-seitigen Präsentation genannt. Auch bei der Einnahmeplanung ist der Himmel das Ziel: Binnen 48 Monaten soll der Umsatz von null auf 3,7 Milliarden Dollar in die Höhe schießen. Allerdings ist Bescheidenheit auch keine Eigenschaft, die einem sofort in den Sinn käme, wenn man an den starken Mann hinter dem Projekt denkt: Donald Trump.

Mit der Gründung der Trump Medien- und Technologiegruppe, kurz TMTG, will sich der Ex-Präsident dafür rächen, dass ihn Social-Media-Dienste wie Twitter, Facebook und Tiktok nach dem Sturm einiger seiner Anhänger auf das Kapitol im Januar aussperrten und ihn so seiner wichtigsten Sprachrohre beraubten. Seither zetert Trump, er werde von den großen, angeblich den Demokraten nahen US-Tech-Konzernen gezielt mundtot gemacht. "Wenn Big Tech den Präsidenten der Vereinigten Staaten zensieren kann, dann können sie jedermann zensieren", heißt es nun auch in dem Investorenprospekt. TMTG hingegen werde "für die Freiheiten aller Amerikaner kämpfen, die Demokratie beschützen und den Kapitalismus verteidigen".

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Trump will über sein neues soziales Netzwerk eigene "Wahrheiten" verbreiten

Statt zu twittern, will sich der Ex-Präsident künftig über seine eigenen Dienste an die Amerikaner wenden. Dazu plant er den Aufbau des Streamingportals TMTG+, das unter anderem Nachrichten, Filme und Sport senden soll. Hinzu kommt das soziale Netzwerk Truth Social. Die Mitteilungen, die Trump und andere dort absetzen werden, sollen nicht Tweets heißen wie bei Twitter, sondern Truths - "Wahrheiten" also. Ein Konzept, das bei Fans des Ex-Präsidenten ebenso verfängt wie bei manchen professionellen Investoren: Insgesamt haben Trumps Helfershelfer bisher rund 1,3 Milliarden Dollar eingesammelt, um den Aufbau des Unternehmens zu finanzieren.

Auch an der Börse soll der neue Konzern vertreten sein. TMTG nutzt dabei die eigens geschaffene Zweckgesellschaft Digital World Acquisition Corp (DWAC), eine bislang leere Unternehmenshülle, deren Anteilsscheine bereits am Aktienmarkt gehandelt werden. Allerdings wäre Trump nicht Trump, wenn sein Konstrukt nicht bereits ins Visier der US-Börsenaufsicht SEC geraten wäre: Die Behörde untersucht derzeit, ob die DWAC ihre Investoren korrekt über all ihre Pläne informiert hat.

Wer aber sind die Anleger, die ihr Geld in Trumps Wutprojekt investieren? Nach allem, was man weiß, unterteilen sie sich grob in drei Gruppen: Fans und ultrareiche konservative Gönner, die dem Ex-Präsidenten wirklich abnehmen, er werde zensiert. Kapitalanlagegesellschaften, die entweder tatsächlich an einen TMTG-Erfolg glauben oder aber die Begeisterung in Teilen des konservativen Lagers nutzen, um schnell Kasse zu machen. Und schließlich Lobbygruppen, womöglich auch aus zwielichtigen Staaten, die sich gutstellen wollen mit einem Mann, der offen damit kokettiert, bei der Präsidentschaftswahl 2024 noch einmal anzutreten und sich "sein" Weißes Haus zurückzuholen.

Die Liste der künftigen Manager liest sich ein wenig seltsam

Bleibt die Frage, wie groß die Chancen nun sind, dass TMTG tatsächlich eine Erfolgsgeschichte wird. Die Firma selbst erinnert in ihrer Präsentation an jene 146 Millionen Follower, die Trump bei Twitter, Facebook und Instagram insgesamt hatte und die nun gewissermaßen heimatlos seien. Zudem verweist man auf eine Umfrage, wonach sich rund 80 Millionen Amerikaner grundsätzlich vorstellen können, ein Trump'sches Netzwerk sehr oft, oft oder gelegentlich zu nutzen. Für den Streamingdienst peilt TMTG bis 2026 rund 40 Millionen Abonnenten an. Kritiker dagegen verweisen darauf, dass Trump in den vergangenen Jahrzehnten mit nicht wenigen Firmen, die er leitete, finanziellen Schiffbruch erlitten habe. Wenn es eine Disziplin gebe, in der der Ex-Präsident spitze sei, schrieb ein Kommentator, "dann ist es die, Fans und Investoren von ihren Geldbeuteln zu trennen, indem er Dinge verspricht, die er dann notorisch nicht halten kann".

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Übersicht auf Seite 21 des Investorenprospekts, die in der ansonsten so farbenfrohen Präsentation ein wenig lieblos daher kommt. Sie listet die Führungsmannschaft auf, die derzeit angeblich fieberhaft daran arbeitet, all die Apps und Dienste zu entwickeln, mit denen TMTG die Konkurrenz das Fürchten lehren will. Strategiechef ist demnach ein gewisser Vlad N., Technik-Vorstand Josh A., oberster Einkäufer Billy B. Dass jeweils nur der Vor- sowie der erste Buchstabe des Nachnamens genannt werden, hat in der Branche bereits Spott hervorgerufen und überdies die Frage aufgeworfen, ob es die Herren und all ihre schönen Produkte in Wahrheit überhaupt gibt. Er könne sich nicht helfen, ätzte ein Kolumnist der Nachrichtenagentur Bloomberg, aber die Übersicht über das Top-Management lese sich wie die Teilnehmerliste "eines Treffens der Anonymen Alkoholiker".

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