DIW-Chef Zimmermann:"Klar, es wird 2010 einen Einbruch geben"

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Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann über die Folgen der Rezession, die Verlässlichkeit von Prognosen und warum er dem Ifo-Index misstraut.

Tobias Dorfer

Im Dezember 2008 sorgte Klaus Zimmermann, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), für einen Eklat in seiner Zunft. In einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung geißelte er den Wettlauf der negativen Konjunkturprognosen als schädlich. Am heutigen Mittwoch hat das DIW seine Vorhersage für die Wirtschaftsentwicklung 2009 und 2010 veröffentlicht - und sich damit in die Gruppe der Pessimisten eingereiht. Zimmermann, 56, steht seit 2000 dem DIW vor und ist darüber hinaus auch noch Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erläutert der studierte Volkswirt seine Konjunkturprognose und die daraus resultierenden Folgen für den Arbeitsmarkt.

Zimmermann, Konjunktur, Arbeitsmarkt, Foto: oh, dpa, seyboldtpress

DIW-Präsident Klaus Zimmermann rechnet für das Jahr 2009 mit einem negativen Wirtschaftswachstum von 6,4 Prozent.

(Foto: Fotocollage: oh, dpa, seyboldtpress)

sueddeutsche.de: Herr Zimmermann, noch im Dezember haben Sie die negativen Konjunkturprognosen Ihrer Kollegen für 2009 als schädlich kritisiert. Ihr Institut mischt jedoch weiter bei den Vorhersagen mit. Woher der Stimmungswandel?

Klaus Zimmermann: Moment, ich habe Prognosen nie generell als schädlich bezeichnet. Wir hatten Ende 2008 jedoch eine höchst unsichere Situation. Wenn Forscher ihre Vorhersagen dann wöchentlich nach unten korrigieren, entsteht Panik - und die führt zu einer Verschärfung der Krise.

sueddeutsche.de: Was ist jetzt anders als im Dezember 2008?

Zimmermann: Nach dem drastischen Konjunktureinbruch im ersten Quartal des Jahres hat sich die Lage stabilisiert.

sueddeutsche.de: Und prompt veröffentlicht das DIW eine wahre Horrorzahl: Um 6,4 Prozent soll die deutsche Wirtschaft demnach in diesem Jahr schrumpfen. Die Regierung rechnet mit sechs Prozent. Wieso setzen Sie sich jetzt mit an die Spitze der Pessimisten?

Zimmermann: Der drastische Einbruch ist vor allem auf das erste Quartal zurückzuführen. Ein Jahr zuvor war die Wirtschaft noch enorm stark gewachsen. Von diesem guten Ergebnis ging es dann abwärts. In den nächsten beiden Quartalen müsste die Konjunktur um mehrere Prozentpunkte anziehen, wenn sich das Ergebnis signifikant verbessern sollte. Das ist schon rein rechnerisch nicht möglich.

sueddeutsche.de: Fast täglich werden in diesen Tagen Zahlen veröffentlicht, die ganz positiv ausfallen. Der Ifo-Index ist vier Mal in Folge gestiegen, der Dax springt von Jahreshoch zu Jahreshoch - und selbst die Auftragslage der Industrie hat sich verbessert. Deutet das nicht auf eine rasche Erholung hin?

Zimmermann: Nein, denn diese Indikatoren geben nur Stimmungen wieder. Nicht mehr und nicht weniger. Jetzt geht es aber nicht um die Erwartungen einzelner Unternehmen, sondern um die Realität. Indikatoren wie dem Ifo-Index oder den Auftragseingängen der Industrie kann man nicht immer trauen. Sie haben einen sehr langen Vorlauf. Wer glaubt, wir würden aufgrund dieser Indikatoren ein deutlich geringeres Konjunktur-Minus erreichen, der irrt.

sueddeutsche.de: Die Deutschen finden die Lage offenbar nicht so bedrohlich. Der Konsum wächst.

Zimmermann: Das haben wir vor allem drei Faktoren zu verdanken. Erstens halten die Unternehmen ihre Beschäftigten über die Kurzarbeit weitgehend zusammen. Zweitens haben die Deutschen durch die Konjunkturmaßnahmen der Regierung mehr Geld in der Tasche. Und drittens liegt die Inflationsrate bei null. So wird der Konsum massiv gestützt.

Auf der nächsten Seite: Warum der Einbruch auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2010 kommt, wieso die Lage trotzdem besser ist als zu Zeiten der Rekord-Arbeitslosigkeit im Jahr 2005 - und wie sehr Klaus Zimmermann seinen eigenen Prognosen traut.

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