Kolumne: Femme Digitale:Druck von außen

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Die Nasdaq, die New Yorker Börse für Technologieunternehmen mit Sitz am Times Square, will mehr Diversität im Management. (Foto: Andrew Kelly/REUTERS)

An der Nasdaq gibt es eine neue Regel: Die an der Tech-Börse notierten Unternehmen sollen vielfältigere Führungspersonen haben. Gut so!

Kolumne von Kathrin Werner

Finanzunternehmen, die von Frauen geführt werden, sind eine seltene Spezies. Eins dieser raren Wesen ist die Nasdaq. Adena Friedman ist seit 2017 die Chefin der die New Yorker Börse für Technologieunternehmen, damals war sie die erste Frau an der Spitze eines globalen Handelsplatzes. Gegen manche Topmanagerinnen gibt es immer mal wieder Vorwürfe, dass sie sich nicht genug für andere Frauen einsetzen, weil ihr eigener Erfolg sie unsolidarisch gemacht habe. Friedman kann man das definitiv nicht vorhalten.

Seit einiger Zeit ist die 52-Jährige, die es immer wieder auf die Forbes-Liste der mächtigsten Frauen schafft, damit beschäftigt, etwas durchzusetzen, das für Frauen und Menschen, die Minderheiten angehören, einen Durchbruch bedeuten dürfte: Sie führt eine neue Richtlinie ein, die verlangt, dass die meisten der fast 3000 an der Nasdaq notierten Unternehmen mindestens eine Frau in ihrem Management Board haben, dazu soll eine Person kommen, die nicht weiß ist oder sich als schwul, lesbisch, bisexuell, transgender oder queer identifiziert. Management Boards sind eine Mischung aus dem in deutschen Unternehmen üblichen Vorstand und Aufsichtsrat. Wenn das Board nicht vielfältig besetzt ist, zwingt die Nasdaq die Unternehmen künftig dazu, schriftlich zu begründen, warum nicht - das dürfte für peinliche PR sorgen. Außerdem müssen die Unternehmen Statistiken über die demografische Zusammensetzung ihrer Führungsriege veröffentlichen. Nach langen Debatten hat die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) die neue Richtlinie gerade genehmigt.

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Ein Zwang, dazu noch ein sehr milder, kann nicht schaden, damit die Tech-Konzerne vorangehen

Hinter der Regel steckt gar nicht so sehr weibliche Solidarität, sondern vor allem wirtschaftliche Logik, erklärte Nasdaq-Chefin Friedman kürzlich in einem Interview: "Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Vielfalt in den Boards mit besseren Ergebnissen in zwei Bereichen korreliert: Risikokontrolle - das ist für uns wichtig, weil für uns der Anlegerschutz entscheidend ist - und wirtschaftlicher Erfolg."

Viele Tech- und Digitalunternehmen stören sich nicht an der neuen Richtlinie. Vertreterinnen und Vertreter von Microsoft und Facebook zum Beispiel haben sich ausdrücklich für sie ausgesprochen. Zwar ist die amerikanische Digitalwirtschaft noch immer von Männern geprägt, vor allem von weißen Männern, aber zumindest geloben die meisten Digitalfirmen öffentlich ihren Willen zur Besserung. Und die US-Wirtschaft insgesamt schlägt sich deutlich besser als die deutsche Wirtschaft. Laut einer aktuellen Studie ist die Zahl der Frauen in den Boards der Fortune-500-Unternehmen über zwei Jahre hinweg um vier Prozentpunkte auf nun 26,5 Prozent gestiegen. In Deutschland liegt der Anteil der Frauen in den Vorständen der 186 börsen- und im regulierten Markt notierten Unternehmen bei 13 Prozent.

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc Beise, Helmut Martin-Jung, Jürgen Schmieder und Kathrin Werner im Wechsel. (Foto: N/A)

Digitalunternehmen sollten eine Führungsrolle einnehmen, wenn es um mehr Diversität im Topmanagement geht. Angesichts des Fachkräftemangels können sie sich sowieso nicht leisten, nur weiße und männliche Mitarbeiter und Manager zu haben. Ein bisschen Zwang, wenn auch sehr milder Zwang, von der Nasdaq kann dabei nicht schaden. Der Druck auf die Unternehmen von außen nimmt ohnehin gerade zu, vor allem von Seiten der Geldgeber. Die drei großen Finanzinvestoren Vanguard, Blackrock und State Street wollen es Unternehmen, denen sie Geld geben, nicht mehr durchgehen lassen, wenn sie nur weiße Männer in den wichtigsten Führungsjobs haben. Und Goldman Sachs kündigte zu Beginn des Jahres 2020 an, keine nur von Männern geführten Unternehmen mehr an die Börse begleiten zu wollen.

Obwohl der Trend für mehr Diversität deutlich ist, werfen konservative Politiker und Aktivisten der Nasdaq vor, dass die neue Regelung selbst rassistisch oder sexistisch sei, weil sie die Unternehmen zwinge, Entscheidungen auf der Basis von Geschlecht oder Hautfarbe zu treffen. Es drohen Klagen. Dass sie Erfolg haben, ist aber unwahrscheinlich, schließlich sind die Konsequenzen eher milde, wenn Unternehmen die Anforderungen der Tech-Börse nicht erfüllen: Sie werden schließlich nicht vom Handel ausgeschlossen, sondern müssen sich nur erklären. Im Grunde geht es nur um Transparenz - und gegen die haben US-Gerichte selten etwas einzuwenden. Nasdaq-Chefin Friedman lässt sich von den Attacken sowieso nicht beirren. "Wann immer man versucht, Veränderungen herbeizuführen, wird es zu Diskussionen kommen."

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