Acht-Stunden-Tag:DGB-Chef warnt vor Entgrenzung der Arbeitszeit

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Dank der Digitalisierung können viele Menschen deutlich flexibler arbeiten. Aber manchmal drohen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu verschwimmen. (Foto: Joseffson /imago images/Westend61)

Gewerkschaftschef Reiner Hoffmann befürchtet, dass die Ampel-Parteien die Regeln zur maximalen Arbeitszeit aufweichen könnten - und sieht den Feierabend der Arbeitnehmer in Gefahr.

Von Roland Preuß

Es ist etwas eng geworden gegenüber der Vertretung des Landes Hamburg im Zentrum Berlins. Hier, wo sich die Ampel-Spitzen von diesem Montag an zu den entscheidenden Gesprächen treffen, haben sich am Morgen einige Gruppen positioniert, damit die Verhandler auch ja nicht ihre Forderungen vergessen. Anhänger der Protestbewegung Campact nehmen zusammen mit Greenpeace-Demonstranten die besten Plätze gegenüber dem Eingang der Hanseaten-Vertretung ein, gleich daneben halten Vertreter von Amnesty International ihre Plakate hoch, etwas abgedrängt eine Aktivistin von "Omas for Future" - und Leute des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die fast verschwinden hinter einem Greenpeace-Wagen mit den Großbuchstaben "Vorfahrt fürs Klima".

Als DGB-Chef Reiner Hoffmann auftaucht, zieht er dann aber die Aufmerksamkeit in dem Gewimmel auf sich. "Hände weg vom Arbeitszeitgesetz", ruft Hoffmann ins Megafon. Der Acht-Stunden-Tag dürfe nicht "aufgebrochen" werden. "Progressiv" bedeute, den Schutz der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, sagt er in Anspielung auf das Selbstverständnis der Ampel-Gesprächspartner als progressives Bündnis.

Die Gewerkschafter treibt eine Passage im Papier über die Sondierungsergebnisse von SPD, Grünen und FDP um. Dort heißt es, man wolle Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, "flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen". Arbeitnehmer sollen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können, wenn auch nur im Rahmen von Tarifverträgen, unter bestimmten Voraussetzungen und zeitlich befristet. "Experimentierräume" nennen das die Sondierer. Insbesondere die FDP hatte vor der Wahl darauf gedrängt, dass Betriebe ihre Beschäftigten in Zeiten abendlicher Mails und geballter Arbeit vor Stichtagen einsetzen können, ohne mit dem Arbeitszeitgesetz in Konflikt zu geraten.

Der Arbeitgeberverband BDA hält das aktuelle Arbeitszeitgesetz für nicht mehr zeitgemäß

Das Arbeitszeitgesetz besagt im Kern, dass beinahe alle Arbeitnehmer, ausgenommen etwa leitende Angestellte, maximal 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen, in Ausnahmefällen auch 60 Stunden. Nach spätestens sechs Stunden Arbeit müssen Sie eine Pause machen, nach der Arbeit stehen ihnen elf Stunden Ruhezeit zu. Laut dem Arbeitgeberverband BDA ist dies in Zeiten digitalen Arbeitens nicht mehr zeitgemäß.

DGB-Chef Hoffmann dagegen fürchtet eine Entgrenzung der Arbeitszeit, hinein in den Feierabend - mit zusätzlicher Belastung der Beschäftigten. "Mit der Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern experimentiert man nicht", sagt Hoffmann. Arbeitgeber und Gewerkschaften hätten bereits genug Flexibilität ermöglicht. Schon jetzt leisteten die Beschäftigten jedes Jahr zwei Milliarden Überstunden, die Hälfte davon werde nicht bezahlt.

Speziell eine Formulierung im Sondierungspapier hat Hoffmann in den Fokus genommen: Dass Regelungen zur maximalen Arbeitszeit pro Tag gelockert werden sollen, wenn "Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen". Bisher müssten Gewerkschaften und Betriebsräte zustimmen, künftig soll es demnach reichen, wenn lediglich die Betriebsräte einverstanden sind. Hoffmann sieht dadurch die Gewerkschaften ausgebootet. "Wir brauchen die Zustimmung der Gewerkschaften, um den Druck von den Betriebsräten vor Ort zu nehmen", sagt er.

Ende Oktober hatten die Ampel-Spitzen bereits einen Auftritt beim Gewerkschaftskongress der IG BCE zum Anlass genommen, die Arbeitnehmervertreter zu beruhigen. Olaf Scholz hatte beteuert, man wolle Arbeitnehmerrechte nicht abbauen, Annalena Baerbock versicherte, es gehe etwa um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und FDP-Chef Christian Lindner betonte, man wolle die Experimentierräume schaffen auch mit Blick auf das, "was Beschäftigte sich wünschen".

Reiner Hoffmann haben diese Botschaften nicht wirklich beruhigt. Allerdings, sagt der DGB-Chef, nach dem, was er aus den Koalitionsverhandlungen höre, gehe es beim Arbeitszeitgesetz in die richtige Richtung. Jetzt müsse man dafür sorgen, dass es bei diesem Kurs bleibe.

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