49-Euro-Ticket:Diskriminierung beim Deutschlandticket

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Fahrgäste steigen am frühen Morgen aus einer Regionalbahn am Hamburger Hauptbahnhof. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Das 49-Euro-Ticket soll für alle da sein. Doch beim Bezahlvorgang werden manche Kunden benachteiligt. Was sie dagegen tun können.

Von Benjamin Emonts

Beim Kauf des Deutschlandtickets werden manche Menschen diskriminiert. Kundinnen und Kunden mit gewissen ausländischen Kontoverbindungen können ihre Tickets auf einigen Online-Portalen nicht kaufen, da die Bezahlmasken ihre IBAN nicht akzeptieren. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg und eine internationale Initiative namens "Accept my IBAN" haben bereits eine ganze Reihe solcher Fälle gesammelt und dokumentiert. Betroffen sind zum Beispiel Kunden aus Belgien, Litauen und Polen.

Fachleute sprechen in solchen Fällen von "IBAN-Diskriminierung". Das Phänomen ist keineswegs neu. Den Betroffenen werden Überweisungen, Lastschriften oder Vertragsabschlüsse verwehrt, weil sie kein inländisches Konto vorweisen können. Das Problem betrifft aber nicht bloß Ausländer hierzulande, sondern auch Deutsche im Ausland. Die Folgen sind teils erheblich. Die Leute erhalten zum Beispiel keinen Zugang zu Krankenkassen, kein Arbeitslosengeld, können keine Stromrechnungen zahlen und keine Handyverträge abschließen. Der einzige Ausweg ist häufig, ein Bankkonto mit lokaler IBAN zu eröffnen.

In der Europäischen Union ist diese Praxis seit 2014 durch die europäische Sepa-Verordnung verboten. Die Intention hinter der Einführung eines Sepa-Raums (Single Euro Payments Area) war schließlich, einen schnellen, sicheren und grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr im europäischen Wirtschaftsraum zu ermöglichen - und nicht, die Leute auszubremsen. Die nationalen Kontonummern wurden deshalb durch internationale IBAN (International Bank Account Number) ersetzt. Seit 2016 müssen Banken, Händler und Behörden die Kontonummern akzeptieren. Die Verordnung gilt für 36 europäische Länder.

Trotzdem nehmen die Fälle nicht ab. Die Initiative "Accept my IBAN", die rund 30 europäische Technologie- und Finanzunternehmen wie Wise und Klarna vereint, hat von März 2021 bis Ende Juni 2023 rund 3200 Fälle von IBAN-Diskriminierung innerhalb des Sepa-Raumes auf ihrer Website gesammelt. Die meisten Fälle in Deutschland betrafen Unternehmen aus der Finanzbranche, dem E-Commerce, der Telekommunikation und dem öffentlichen Sektor. Beschwerden liegen zum Beispiel auch gegen die SPD, die Deutsche Rentenversicherung und die Bundesnetzagentur vor. In Deutschland wurden nach Spanien und Frankreich die drittmeisten Fälle gezählt.

Umgekehrt zeigt sich aber auch: In mehr als 800 Fällen konnten Betroffene mit einer deutschen IBAN im Ausland nicht zahlen. Mit knapp einem Viertel der Fälle stoßen deutsche IBAN im Vergleich somit am häufigsten auf Probleme. Die Dunkelziffer gilt als grundsätzlich hoch. Bei Weitem nicht alle Menschen melden die Fälle, zumal viele die Rechtslage nicht kennen.

Das Deutschlandticket, das die Leute eigentlich unkompliziert aus den Autos in die öffentlichen Verkehrsmittel locken soll, zählt zu den bislang prominentesten Beispielen. Das Ticket ist seit Mai im Abonnement für 49 Euro im Monat erhältlich. Die Bezahlung läuft über das Sepa-Lastschriftverfahren. Die Beschwerden richten sich etwa gegen Deutschlands zweitgrößtes Eisenbahn- und Busunternehmen Transdev, das die Website deutschlandticket.de betreibt. Aber auch gegen kommunale Unternehmen wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die Wupsi in Leverkusen. Auch hier können Kunden das Abo bestellen.

Bei der Bezahlmaske ist häufig Schluss

Die Probleme beginnen meist bei den Bezahlmasken. Gibt man auf deutschlandticket.de zum Beispiel eine 28-stellige polnische IBAN ein, bekommen Kunden den Hinweis: "Bitte gib eine korrekte IBAN ein." Der Kaufvorgang kann dann nicht fortgesetzt werden. Transdev räumt die Probleme auf Nachfrage ein, man arbeite mit Hochdruck daran. Schuld sind häufig veraltete IT-Systeme. Sie haben Schwierigkeiten, IBAN zu verarbeiten, die vom deutschen Format abweichen. Deutsche IBAN beginnen mit den Buchstaben "DE" und setzen sich mit 20 Ziffern fort, in Ländern wie Belgien sind es aber zum Beispiel 16 Ziffern oder in Polen 26 Ziffern nach den Länderbuchstaben. Auf der Webseite der Deutschen Bahn werden ausländische Kontoverbindungen akzeptiert.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs geht den Fällen nach. Der Verein, der auch Wettbewerbszentrale genannt wird, wird durch 800 Verbände, 1200 Unternehmen sowie mehrere Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft getragen. Stellt der Verein einen Verstoß fest, fordert er eine Unterlassungserklärung der Unternehmen. Notfalls erhebt man auch Klage bei den zuständigen Landgerichten. In 35 von 36 Fällen war man bisher erfolgreich damit, etwa gegen das Vergleichsportal Verivox oder den Immobilienkonzern Vonovia.

Auch beim Deutschlandticket gibt es erste Erfolge, teilt die Zentrale mit. In mehreren Fällen hätten die betroffenen Verkehrsbetriebe die ausländischen Bankverbindungen doch akzeptiert, nachdem die Kunden sie dazu aufgefordert hatten. Auch die Leverkusener Wupsi ließ die Probleme von einem Softwarehersteller bereits beheben, heißt es. Wer anderswo noch Probleme beim Zahlen bekommt, dürfe sich bei der Wettbewerbszentrale jederzeit melden.

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