Sonderbericht:Die Deutsche Bahn wird zu einem "Fass ohne Boden"

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Im ICE-Werk in Leipzig wird ein Zug gewartet: Die Deutsche Bahn versinkt in Problemen. (Foto: Peter Endig/picture alliance / dpa)

Verheerende Generalabrechnung vom Bundesrechnungshof: Der Bahn-Konzern häuft fünf Millionen Euro neue Schulden an - täglich.

Von Markus Balser, Berlin

Wie es gerade um das System Bahn steht? Wer derzeit in einen Zug steigt, bekommt ein gutes Bild. Die Verspätung der Fernzüge liegt auf Rekordniveau. Viele Baustellen bremsen die Züge aus. Und den folgenschweren Hinweis "Reparatur am Zug" lesen Passagiere deutlich häufiger, als ihnen das lieb sein kann. Inzwischen aber reißt nicht nur den Fahrgästen der Geduldsfaden. Auch der wichtigsten Kontrollbehörde des Bundes ist nun der Kragen geplatzt.

Am Mittwoch erreichte den Bundestag ein 33-seitiger Sonderbericht des Bundesrechnungshofs, der an Deutlichkeit nicht zu überbieten ist. Die Prüfer zeichnen ein regelrecht desolates Bild vom Konzern, dessen Management, aber auch dem Umgang der Politik mit der Bahn. "Die DB AG entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden", heißt es im Fazit des Papiers, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Denn "obwohl der Bund die DB AG immer stärker finanziell unterstützt, wuchs die Konzernverschuldung seit dem Jahr 2016 um fünf Millionen Euro", rechnen die Prüfer vor. Und zwar: Pro Tag. Der Schuldenberg sei inzwischen auf mehr als 30 Milliarden Euro angewachsen und schränke die Handlungsspielräume der Bahn zunehmend ein. Dennoch fordere der Bahnvorstand immer mehr Geld aus dem Bundeshaushalt, der Druck auf den Bund wachse, "den Sanierungsfall DB AG immer stärker finanziell zu unterstützen".

Der Rechnungshof nimmt mit seinem Bericht in erster Linie das Management um Konzernchef Richard Lutz ins Visier. "Man muss auch die Fragen stellen, wie man mit so einer Management-Leistung umgeht", sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller und legt der Politik personelle Einschnitte nahe. "Wir sind schon der Meinung, dass Entscheidungen getroffen werden müssen." Nach vier offensichtlich verlorenen Jahren sei das System Eisenbahn sogar noch unzuverlässiger und die wirtschaftliche Lage noch schlechter geworden. Die Bahn befinde sich damit endgültig in einer "Dauerkrise", analysiert der Bericht.

Kritik gibt es auch an den deutlich steigenden Gehältern des Vorstands

Die Rechnungsprüfer kritisieren den Konzern auch im Detail massiv. Nicht nur im Fernverkehr sei jeder dritte Zug unpünktlich - "ein Negativrekord". Auch im Nah- und Güterverkehr laufe es immer schlechter. Die Auslandstöchter würden Ressourcen binden und zu Verlusten führen.

Programme wie die "Starke Schiene" und der "Deutschlandtakt" seien - wie viele andere angekündigte Lösungsansätze - "eine weitgehend wirkungslose Worthülse". Diese "Fehlentwicklungen" dürfe der Bund nicht länger hinnehmen. Nötig seien nun grundlegende Reformen, damit das "System Eisenbahn seine verkehrs- und wirtschaftspolitische Rolle" erfüllen könne. Die deutlich steigenden Gehälter der Bahnspitze stünden in keinem gut nachvollziehbaren Verhältnis zur Geschäftsentwicklung.

Doch auch die Bundesregierung und ihr Verkehrsminister kommen nicht gut weg. Der Bund sei viel zu passiv, monieren die Prüfer. Es fehle eine grundlegende Strategie. Der Verkehrsminister müsse endlich festlegen, was für eine Bahn und wie viel Bahn er zu welchen Kosten haben wolle. Das Verkehrsministerium habe zwar im vergangenen Jahr angekündigt, die Bundesinteressen stärker durchzusetzen. Doch bislang sei das nicht ausreichend passiert. Die Bahn nutze dieses Defizit und expandiere weiter in internationale Geschäfte.

Ist schwer unter Druck: Der Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz. (Foto: IMAGO/Christian Marquardt)

Eindringlich mahnen die Prüfer gegenüber dem Bundestag nun eine Wende an. "Deutschland kann sich eine Bahn in der Dauerkrise nicht leisten", sagt Scheller. Die Regierung dürfe nun keine Zeit mehr verlieren. Zumal die Mittel immer knapper würden. "Da muss jeder Euro sitzen", sagt Scheller. Die Probleme hätten sich in "Anzahl und Dringlichkeit sogar verschärft".

Der Bundesrechnungshof fordert deshalb eine weiter reichende Bahnreform, als die Ampelkoalition das bislang plant. Die Behörde spricht sich dafür aus, das Bahnnetz aus der Aktiengesellschaft zu lösen. Bislang ist nur geplant, dem Netz innerhalb der AG mehr Freiheiten zu verschaffen. Der Bund brauche eine stärkere Kontrolle über das Schienennetz, fordert dagegen der Rechnungshof. Er müsse über eine komplett neue Organisation der Bahn nachdenken.

Hintergrund der massiven Kritik ist, dass die Prüfer fürchten, die von der Ampelkoalition angekündigten Umbauten könnten zu halbherzig bleiben. Eineinhalb Jahre der neuen Regierung seien schon ohne weitere wichtige Schritte verstrichen, heißt es aus der Behörde. Leite die Regierung nun keine größere Reform ein, werde auch diese Wahlperiode ungenutzt verstreichen. Der Rechnungshof-Präsident ist sich jedenfalls sicher: "Es muss etwas passieren. Wir alle spüren das im Alltag."

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