Daimler:Der Krisen-Konzern

Lesezeit: 3 min

Der Mercedes-Stern - der Konzern gerät unter Druck und muss sich an vielen Fronten um seine Probleme kümmern. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Eine Gewinnwarnung vom Wochenende wegen des Diesel-Abgasskandals hat den Aktienkurs stark sinken lassen. Der neue Daimler-Chef Ola Källenius hat mit dem Konzern aber noch viel mehr Probleme zu lösen.

Kommentar von Stefan Mayr, Stuttgart

Der neue Daimler-Boss Ola Källenius ist um seinen Job nicht zu beneiden. Vier Wochen nach seinem Amtsantritt und zwei Wochen nach seinem 50. Geburtstag steht fest: Der Schwede hat einen Krisen-Konzern übernommen. Das Reizwort lautet: Diesel-Abgasskandal. Zwar ist Daimler im Gegensatz zu Volkswagen noch nicht der illegalen Trickserei überführt, dennoch ist spätestens seit dem Wochenende klar: Der Umgang der Mercedes-Ingenieure mit der Abgasbehandlung war zumindest fragwürdig. So fragwürdig, dass Daimler noch viele Jahre darunter leiden wird.

Nach dem Rückruf von 60 000 weiteren Mercedes-Fahrzeugen und der darauf folgenden Gewinnwarnung vom Sonntag ist der Aktienkurs am Montag um vier Prozent eingebrochen. Auch am Dienstag deutete sich keine Erholung an. Damit ist der Wert des Unternehmens seit Januar 2018 um mehr als ein Drittel gesunken. Die Aktionäre verlieren offensichtlich das Vertrauen in Daimler. Und viel schlimmer noch: Ähnliches droht bei den Kunden - je länger das Unternehmen unter dem Verdacht steht, bei der Abgasbehandlung die Behörden und die Käufer ausgetrickst zu haben. Genau das behauptet das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), deshalb hat es den Rückruf angeordnet.

Verkehrssicherheit
:Fortschritt per Vorschrift

Viele Autofahrer gefährden sich und andere. Damit die Zahl der Unfallopfer endlich sinkt, werden von 2022 an verschiedene Assistenzsysteme zur Pflicht.

Von Joachim Becker

Daimler bestreitet den Vorwurf zwar und kündigt rechtliche Schritte an. Damit gilt wohlgemerkt die Unschuldsvermutung, bis ein rechtskräftiges Urteil gesprochen ist. Aber wenn das KBA, eine Unterbehörde des Verkehrsministeriums, das nicht gerade als industriefeindlich gilt, derart rigide vorgeht, dann hat das Unternehmen zumindest zwei große Probleme: Jeder Rückruf kostet viel Geld und zweitens noch mehr Reputation. Die Glaubwürdigkeit des Konzerns bekommt nicht nur hässliche Kratzer, sondern auch große Beulen. Und Ola Källenius muss sich fragen, ob sich Premiumkunden künftig für eine derart ramponierte Marke entscheiden oder nicht.

Daimler bräuchte eigentlich jeden Euro - denn es gibt etliche Baustellen

Es war die erste Gewinnwarnung seit Källenius' Amtsantritt im Mai und die dritte innerhalb eines Jahres. Es war nicht der erste amtlich angeordnete Rückruf; und weitere könnten folgen, wie Experten bereits mutmaßen. Ein Befreiungsschlag beim Thema Diesel wäre also sinnvoll, doch ein solcher ist nicht in Sicht. Denn Källenius steckt in einem Dilemma: Er muss den juristischen Widerspruch gegen die KBA-Anordnungen bis in die letzte Distanz durchziehen, alles andere wäre ein indirektes Eingeständnis von fehlerhafter Abgasbehandlung. Dieses würden viele Kunden - auch in den USA - zum Anlass nehmen für Schadenersatzklagen. Das würde teuer werden, wie die Kollegen von Volkswagen bestätigen können. Deshalb muss Källenius hoffen (oder gar dafür sorgen), dass sich die Gerichtsverfahren möglichst lange hinziehen. Bis zur rechtskräftigen Klärung könnten dann viele Fälle bereits verjährt sein. Doch auch diese Taktik hat negative Nebenwirkungen: Sie kostet Geld, Kraft und Vertrauen.

Dabei bräuchte Daimler eigentlich jeden Euro und jede Minute, um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können. Denn selbst wenn das Thema Diesel nicht wäre, hätte Källenius genügend Probleme. Neben dem Brexit und Trumps Zollstreit gibt es etliche hausgemachte Baustellen. Der Absatz geht zurück, in den USA gibt es Qualitäts- und Auslieferungsprobleme. Von 2021 an drohen angesichts verschärfter C0₂-Flottengrenzwerte Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Der Umstieg in die Elektromobilität kam zu spät und im Wettrennen um die ersten autonomen und besten digitalisierten Fahrzeuge stehen die Stuttgarter nicht da, wo sie immer sein wollen. Nein, sie rollen nicht vorneweg, sondern eher hinterher. Die Entwicklung konkurrenzfähiger Elektro- und Robo-Fahrzeuge sowie Mobilitätsdienste kostet viel Geld, deshalb tüftelt Källenius bereits an einem Sparprogramm. Dieses wird er wohl noch im Sommer verkünden, doch damit allein wird er die Krise nicht beenden.

Angesichts all dieser Probleme fällt nachträglich ein immer größerer Schatten auf die Amtszeit von Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche. Der Mann mit dem Schnauzbart ist im Mai mit viel Lob und Applaus in den Ruhestand verabschiedet worden. Dass er in seinen 13 Jahren als Daimler-Chef viel richtig gemacht und den Konzern 2007 sogar vor dem drohenden Untergang gerettet hat, gilt nach wie vor. Aber inzwischen steht auch fest: In der Endphase der Ära Zetsche geschahen Dinge, die das Unternehmen noch sehr lange belasten werden. Daimlers Krise ist eine Diesel-, Börsen-, Absatz- und Reputations-Krise. Der Ursprung für all das fand unter Zetsche statt.

© SZ vom 26.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungMobilität
:Elektroautos gehören nicht in die Stadt

Städtische Verkehrsprobleme werden ständig diskutiert. Aber was ist mit Millionen Menschen auf dem Land? Gerade dort muss das Auto elektrisch werden - weil es keine Alternative gibt.

Von Christina Kunkel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: