Mobilität:Elektroautos gehören nicht in die Stadt

BMW i3 mit Ladestecker

Elektroautos wie der BMW i3 gehören nicht in erster Linie in die Stadt, sondern in die ländlichen Gebiete.

(Foto: Jan Woitas/dpa-tmn)

Städtische Verkehrsprobleme werden ständig diskutiert. Aber was ist mit Millionen Menschen auf dem Land? Gerade dort muss das Auto elektrisch werden - weil es keine Alternative gibt.

Von Christina Kunkel

Elektroautos. Schnell. Überall. Vor dem Autogipfel im Kanzleramt am Montagabend, bei dem sich Spitzenvertreter der Regierung sowie der Auto- und Zulieferindustrie trafen, gab es kaum ein anderes Thema. Politik und Konzerne kreisen um die Frage, wie man möglichst schnell eine große Anzahl an Elektrofahrzeugen auf die Straßen bringt - vor allem auf die Straßen der Städte. Die Lebensrealität von Millionen Menschen in ländlichen Regionen, denen E-Scooter und U-Bahntakte in ihrem Alltag völlig egal sind, verkennen sie dabei. Dabei sind vor allem Elektroautos prädestiniert für den ländlichen Raum.

Weil in den Städten die Messstationen regelmäßig neue Höchstwerte an Feinstaub und Stickoxiden liefern, ist der Ruf nach klimafreundlichen Verkehrsmitteln dort besonders laut. Dreckige Diesel werden ausgesperrt, das Elektroauto als Lösung für eine bessere Stadtluft gepriesen. Gerade elektrische Kleinwagen wie der E-Smart oder der EgoLife seien "perfekt für die Stadt", heißt es. Dabei kann für den reinen Stadtverkehr das Ziel nur sein, ihn komplett ohne Autos im Eigenbesitz zu organisieren.

Stattdessen lohnt sich der Blick hinaus über die Stadtgrenzen in ländliche Regionen. Denn genau dort liegt eigentlich die Zukunft der individuellen Elektromobilität. Weil sie auf dem Land dringend nötig ist, da der öffentliche Nahverkehr auf absehbare Zeit keine Alternative zum Auto bieten wird. Und weil gerade Elektroautos sich dort viel leichter in den Alltag integrieren lassen.

Egal, wie viele Ladestationen in den Städten noch gebaut werden - wer keine Garage oder Stellplatz mit Lademöglichkeit hat, wird immer ein Getriebener sein. Schon jetzt kreiseln jeden Tag Tausende auf der Suche nach einer Parklücke. Wenn der Parkplatz auch noch eine Lademöglichkeit für das E-Auto bieten soll, wird es fast aussichtslos. Schon heute kann jeder E-Autofahrer ein Lied von defekten und von durch Verbrennern zugeparkten Ladestationen singen. Wer nicht zu Hause oder am Arbeitsplatz laden kann, braucht viel Zeit, Geld und Nerven.

Gerade die kleinen, aktuell verfügbaren (und als Stadtauto angepriesenen) E-Autos sind meist nicht schnellladefähig. Hat man eine freie Ladesäule gefunden, vergehen Stunden, bis der Akku wieder voll ist. Dazu kommt, dass die Strompreise an manchen öffentlichen Ladestationen so hoch sind, dass sie die Kosten für Benzin übersteigen. Trotz aller staatlicher Förderungen rechnet sich das E-Auto aufgrund der hohen Anschaffungskosten für Wenigfahrer bisher meist nicht. Auf dem Land sieht die Situation ganz anders aus: Dort sind Elektroautos wirklich sinnvoll, weil man sie über mehrere Stunden bequem laden kann. Am besten in der eigenen Garage. 17,5 Millionen Einfamilienhäuser weist das Statistische Bundesamt 2017 für Deutschland aus. Jedes Jahr kommen etwa 100 000 dazu. Viele dieser Häuser haben eine Garage, einen Carport oder einen anderen, hausnahen Stellplatz, über den ein E-Auto problemlos über Nacht geladen werden kann. Insofern ist es auch richtig, dass die Anschaffung einer privaten Ladebox noch stärker staatlich gefördert werden soll. Viele Häuser bieten noch ein weiteres, leider zu oft ungenutztes Potenzial: Mit einer Solaranlage auf dem Dach lässt sich nicht nur der Strom für den eigenen Haushalt ökologisch produzieren, sondern auch für den Betrieb des Elektroautos.

Und das rechnet sich. Auch wenn Solaranlagen lange nicht mehr so hohe Renditen bringen wie noch vor einigen Jahren: Gerade wenn man einen Großteil des produzierten Stroms selbst verbraucht, lohnen sich die Solarpanels nicht nur aus ökologischen Gründen. Mit intelligentem Lademanagement kann das E-Auto in Zukunft sogar zum Zwischenspeicher bei Stromspitzen werden und dann Strom ins Netz abgeben, wenn der gerade woanders gebraucht wird. Dass diese Methode funktioniert, wurde bereits in einigen Projekten bewiesen. Zum Beispiel will BMW seinen Kunden in Zukunft die Möglichkeit bieten, Strom vergünstigt zu beziehen, wenn man sein Auto als Zwischenspeicher zur Verfügung stellt.

Reichweitenangst muss auch auf dem Land kein E-Auto-Fahrer mehr haben. Die durchschnittliche Pendelentfernung liegt aktuell bei 17 Kilometern, selbst die kleinsten E-Autos schaffen mindestens 100 Kilometer mit einer Akkuladung. Das reicht in den meisten Fällen, um den Wagen über Nacht zu Hause wieder zu laden - zumal auch immer mehr Arbeitgeber die Möglichkeit zum Stromtanken bieten. Und da viele Arbeitnehmer mit dem Auto vom Land in die Stadt pendeln, könnten die E-Autos auch dort einen Beitrag leisten, die Luft ein bisschen sauberer zu machen. Denn am Ende ist es für die Klimabilanz egal, an welcher Stelle CO₂ eingespart wird. So zu tun, als könnten nur die Städter etwas bewegen, greift dagegen zu kurz.

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