Landgericht Bonn:Richter im Cum-Ex-Prozess abgelehnt - wegen Befangenheit

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Das mit Spannung erwartete Verfahren gegen den langjährigen Chef und Miteigentümer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg wird sich nun wohl weiter verzögern. (Foto: Hanno Bode/imago)

Es ist die nächste Verzögerung in dem brisanten Verfahren gegen einen Warburg-Miteigentümer. Das dürfte den Prozess weiter mit Spannung aufladen.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Der Cum-Ex-Prozess gegen Warburg-Miteigentümer Christian Olearius sollte einer der nächsten größeren vor dem Landgericht in Bonn werden. Die Erhebung der Anklage gegen den langjährigen Chef der Privatbank hatte im vergangenen Jahr bereits viel Aufsehen erregt. Danach war es still geworden, eine Zulassung der Anklage durch das Gericht stand über Monate hinweg aus - und dürfte sich erneut deutlich verzögern.

Denn die 13. Große Strafkammer des Landgerichts Bonn hat am Mittwoch beschlossen, den Vorsitzenden Richter Edgar Panizza abzulehnen. Der Grund dafür hat es in sich: Das Gericht geht davon aus, dass der Vorsitzende Richter befangen sein könnte. Eine solche Entscheidung ist höchst ungewöhnlich und dürfte das sowieso schon politisch brisante Verfahren weiter mit Spannung aufladen. Die Öffentlichkeit erwartet von diesem Prozess nicht nur die Aufklärung der Cum-Ex-Geschäfte, sondern womöglich auch Einblicke in die Rolle, die die Hamburger Politik und der dortige ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz in der Cum-Ex-Affäre rund um die Warburg Bank spielten. Es bleibt die Frage: Wie konnte es zu einer solchen Panne kommen?

Nach Aussage des Landgerichts soll der Vorsitzende Richter der Verteidigung von Olearius Akteneinsicht gewährt haben, was zunächst einmal ein üblicher Vorgang ist. Darin aber entdeckten die Verteidiger auch Unterlagen, die nicht aktenkundig waren und offenbar einem Cum-Ex-Parallelverfahren entsprungen sind. Das führte sie zu der Annahme, der Vorsitzende Richter könnte befangen sein - und stellten einen entsprechenden Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters Panizza. Diesem gab die 13. Strafkammer des Landgerichts Bonn nun statt und lehnte den eigenen Vorsitzenden genau aus diesem Grund ab. In einer Pressemitteilung betonte das Gericht, für eine solche Absetzung sei nicht wichtig, ob jemand tatsächlich befangen sei. Wichtig sei nur, ob es verständliche Besorgnis dafür gebe, dass er befangen sein könnte. Dies sei hier der Fall gewesen.

Olearius wäre, wenn die Anklage vom Gericht final zugelassen wird, dann auch der erste deutsche Top-Banker, der sich für die Cum-Ex-Deals verantworten müsste. Die krummen Aktiengeschäfte, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag gehandelt wurden, könnten den deutschen Staat mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben. Erst 2012 gelang es der Politik, die Aktiendeals zu unterbinden, seither läuft die Aufklärung durch die Staatsanwaltschaften, die mehr als 1000 Beschuldigte in dutzenden Verfahren führen.

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Den Vorsitz der 13. Großen Strafkammer übernimmt nun Richterin Marion Slota-Haaf. Sie und die Strafkammer wollen bald über eine Zulassung der Anklage entscheiden. Sicher ist aber schon jetzt: Das mit Spannung erwartete Verfahren gegen den langjährigen Chef und Miteigentümer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg wird sich weiter verzögern.

Die Warburg Bank distanziert sich mittlerweile öffentlich von den Geschäften

Bereits im Sommer 2022 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den ehemaligen Warburg-Chef Olearius erhoben und ihm darin unter anderem schwere Steuerhinterziehung vorgeworfen. Gemeinsam mit anderen habe er einen Gesamtschaden von mehr als 100 Millionen Euro verursacht. Konkret soll es dabei um Eigengeschäfte der Bank sowie weitere Deals von zwei ihrer Fonds gehen. Olearius hatte in der Vergangenheit stets betont, er habe nicht gewusst, dass die Deals illegal gewesen seien. Die Warburg Bank hat den entstandenen Steuerschaden eigenen Angaben zufolge mittlerweile beglichen und distanziert sich öffentlich von den Geschäften, die die Bank seit Jahren beschäftigen und sogar den heutigen Bundeskanzler in Erklärungsnot brachten.

Das Verfahren gegen Olearius gilt eben auch deshalb als brisant, weil er und Bundeskanzler Olaf Scholz sich in den Jahren 2016 und 2017 mehrmals trafen. Zu der Zeit verzichtete das Hamburger Finanzamt auf eine Steuernachforderung mit Bezug zu den Cum-Ex-Deals der Bank, was erst später revidiert wurde. Olaf Scholz weist jegliche Einflussnahme entschieden zurück. In Hamburg beschäftigt sich zurzeit ein Untersuchungsausschuss mit dem Fall, der den Kanzler bald zum wiederholten Mal befragen will.

Die Ermittlungen führten auch dazu, dass das Landgericht Bonn bereits mehrere Anklagen verhandelte und diverse Urteile zu den Aktiendeals gesprochen hat. Darunter auch gegen zwei ehemalige Warburg-Beschäftigte. So verurteile das Landgericht Bonn den früheren Generalbevollmächtigten der M.M. Warburg, Christian S., zu fünfeinhalb Jahren Haft. Auch ein ehemaliger Manager der Tochtergesellschaft Warburg Invest wurde verurteilt und muss für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof hat Cum-Ex-Geschäfte zwischenzeitlich als strafbar eingestuft.

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