Cum-Ex-Deals:Dieser Steuerskandal ist größer als der Fall Hoeneß

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Er stand schon vor Gericht: Uli Hoeneß am vierten Prozesstag. Viele Cum-Ex-Deals werden erst noch aufgeklärt. (Foto: dpa)

Banken, Fonds und Anleger haben die Gesellschaft um Milliarden geprellt. Jetzt schlagen die Behörden zurück.

Kommentar von Klaus Ott

Cum und Ex, das klingt eher nach einem Trinkspruch als nach einem Steuerskandal. Doch diese Begriffe aus dem Lateinischen stehen für eines der mutmaßlich größten Wirtschaftsverbrechen, das innerhalb der Finanzbranche in den vergangenen zehn Jahren begangen wurde.

Jahrelang sollen viele Banken aus dem In- und Ausland zusammen mit Helfern und Helfershelfern den deutschen Fiskus mit dubiosen Aktiengeschäften um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen haben. Das besagen Erkenntnisse, die Steuerfahnder und Staatsanwälte in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen haben.

Das Wort Skandal wird manchmal inflationär benutzt, aber hier kann man getrost von einem solchen sprechen. Denn diese Aktiendeals waren kein Zufall, keine Unabsichtlichkeit, wie manche Cum-Ex-Akteure glauben machen wollen. Die fraglichen Börsengeschäfte waren diversen Dokumenten zufolge bis ins kleinste Detail geplant. Sie sind gezielt und systematisch betrieben worden.

Und sie hatten nach allem, was man bislang weiß, nur ein einziges Ziel: Sich beim grenzüberschreitenden Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende die Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten zu lassen, obwohl diese nur einmal gezahlt wurde.

Das funktioniert so ähnlich wie bei kriminellen Umsatzsteuerkarussellen, bei denen statt Aktien eben Handy, Autos oder Schadstoffzertifikate über europäischen Grenzen hinweg verschoben wurden. Auch hier wurde und wird der Fiskus um Milliardenbeträge geschädigt. Bei den Umsatzsteuerdelikten schicken die Gerichte die Täter in der Regel jahrelang ins Gefängnis. Bei den Aktiendeals könnte das genauso kommen.

Im Vergleich war Hoeneß wohl ein kleiner Fisch

Die Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen holen nun zum bislang größten Schlag gegen die Cum-Ex-Szene aus. Sie haben für fünf Millionen Euro eine CD mit etlichen Tausend Datensätzen gekauft, die Aufschluss geben über offenbar kriminelle Geschäfte von zahlreichen Banken und Finanzdienstleistern aus dem In- und Ausland.

Darunter sind auch große Geldinstitute. Wer jetzt nicht reinen Tisch machen und Selbstanzeige erstattet, der riskiert, dass ihn am Ende die volle Härte des Gesetzes trifft. Inklusive Gefängnis.

Mitgemacht bei diesen Deals haben viele Institute und Fonds, aber ein umfassendes Geständnis abgelegt hat bislang nur die Hypo-Vereinsbank. Die Bankenverbände schweigen, was die Parolen vom Kulturwandel nach den Exzessen der Finanzbranche in den vergangenen Jahren nicht gerade glaubwürdig macht.

Und viele Finanzmanager, die in solche Geschäfte verwickelt waren, unterschätzen die Folgen ihres Tuns. Sie tun dies auch deshalb, weil der Staat ein Schlupfloch, das die Deals zwar nicht erlaubte, aber technisch möglich machte, erst 2012 schloss; und weil die Dimension des Steuerskandals in der Gesellschaft noch nicht erkannt wird.

Cum und Ex ist eben weit schwerer zu verstehen als das Steuervergehen eines Uli Hoeneß. Der frühere Präsident von Bayern München hatte dem Fiskus seine Gewinne aus Zockereien in der Schweiz verheimlicht und wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Ein prominenter Name, ein leicht nachvollziehbarer Sachverhalt, das schafft schnell ein großes Erregungspotenzial, anders als bei Cum und Ex. Doch im Vergleich zu den Bankern, Fondsbetreibern und Anwälten, die hinter den fragwürdigen Börsengeschäften stehen, dürfte Hoeneß ein kleiner Fisch gewesen sein. Er hatte Steuern in Höhe von knapp 30 Millionen Euro hinterzogen.

Die Cum-Ex-Akteure haben nach Erkenntnissen der Ermittler dem Fiskus, also dem Staat und den Bürgern, ein Hundert- bis Tausendfaches dieses Betrags nicht vorenthalten, sondern gestohlen. Das dürfte die mutmaßlichen Taten noch viel schlimmer machen als bei Hoeneß.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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