Pandemie:Vermieter müssen das Risiko mittragen

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Eine Filiale der Textilbilligkette Kik: Der Namen soll für "Kunde ist König" stehen. (Foto: Manfred Segerer/imago)

Einzelhändler dürfen im Lockdown die Miete kürzen: Für viele Geschäfteinhaber ist die Entscheidung des BGH ein wichtiges Urteil, aber es kommt auf den Einzelfall an.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Gewerbetreibende können wegen ihrer Einbußen durch einen Lockdown die Kürzung ihrer Miete verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil entschieden. Die behördlich angeordnete Schließung von Betrieben führe zu einer "Störung der Geschäftsgrundlage", sodass gewerbliche Mieter einen Anspruch auf Absenkung der Miete hätten. Wie hoch dieser Abschlag ausfallen darf, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab - namentlich von der Höhe der Verluste und davon, inwieweit sie durch staatliche Hilfen kompensiert worden sind.

Auslöser des Verfahrens war eine Mietkürzung durch eine sächsische Filiale der Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz im April 2020. Die Urteile der Vorinstanzen zeigen, wie uneinheitlich die Gerichte bisher in dieser Frage agierten. Das Landgericht Chemnitz erkannte dem Vermieter die volle Miete in Höhe von gut 7800 Euro zu, das Oberlandesgericht Dresden dagegen reduzierte die Kaltmiete um die Hälfte.

Mit seinem Urteil hat der zwölfte Zivilsenat des BGH diese Frage nun geklärt, die vor allem für den ersten Lockdown vom März 2020 eine Rolle gespielt hat. Damals war offen, ob die gewerblichen Mieter die Konsequenzen der Schließungen allein tragen sollten. Viele Gerichte der unteren Instanzen lehnten eine Minderung ab, weil die Vermieter ihre Räume ja nach wie vor ordnungsgemäß zur Verfügung stellten. Zum Jahresbeginn 2021 - mitten im zweiten Lockdown - steuerte der Gesetzgeber zwar nach und legte fest, dass eine Schließung in der Regel zur Störung der Geschäftsgrundlage führe. Gleichwohl blieben hier viele Fragen zu Voraussetzungen und Höhe der Mietkürzungen offen.

Der Fall wurde zur weiteren Klärung an das OLG zurückverwiesen

Nach den Worten des Senatsvorsitzenden Hans-Joachim Dose führt ein Lockdown zwar nicht zu einem "Mangel" des Mietgegenstands, weil die Geschäftsräume weiter zur Verfügung stehen. Ein Anspruch auf Mietkürzung ergebe sich aber aus den Vorschriften zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die "grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Vertrags" seien durch die Pandemie schwerwiegend gestört worden. Deshalb könne den gewerblichen Mietern nicht zugemutet werden, unverändert daran festzuhalten - die pandemiebedingten Schließungen gingen über das normale Mieterrisiko hinaus. Denn ihre Einbußen seien eben nicht die Konsequenz von unternehmerischen Entscheidungen oder enttäuschten Gewinnerwartungen, sondern Folge staatlicher Eingriffe, für die keine der beiden Mietparteien verantwortlich gemacht werden könne. "Durch die Covid-19-Pandemie hat sich letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht", sagte Dose. Dieses Risiko könne keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden.

Der BGH verwies den Fall allerdings zur weiteren Klärung an das OLG zurück, vor allem deshalb, weil er dessen Ansatz einer 50-prozentigen Pauschalkürzung nicht akzeptiert. Denn laut BGH kommt es bei der Berechnung der Mietkürzung auf die Umstände des Einzelfalls an. In erster Linie ist der "konkrete Umsatzrückgang" entscheidend, und zwar in der jeweiligen Filiale und nicht etwa konzernweit. Auf der Habenseite sind staatliche Hilfen mitzuzählen, allerdings nur echte Zuschüsse und nicht etwa Darlehen. Gleiches gilt für Betriebsversicherungen.

Manche dieser Vorgaben bieten Potenzial für weitere gerichtliche Auseinandersetzungen. Nach den Worten von Dose ist auch zu berücksichtigen, "welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern". Damit zielt das Gericht auf die Frage, ob ein Gewerbetreibender die Möglichkeiten des Onlinehandels oder, bei Gastronomen, des Straßenverkaufs ausgeschöpft hat. Klar ist damit jedenfalls: Wer sein geschäftliches Niveau in der Pandemie halten konnte, kann keinen Mietnachlass fordern.

In einem weiteren Punkt hat der BGH eine wichtige Klarstellung vorgenommen. Für einen Anspruch auf Mietkürzung ist keine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz erforderlich. Das hatten manche Gerichte anders gesehen, etwa das OLG Karlsruhe, das für eine andere Kik-Filiale eine Zahlung der vollen Miete nur dann für unzumutbar hielt, wenn deren Existenz dadurch entweder vernichtet oder schwerwiegend beeinträchtigt würde. Das wäre eine höhe Hürde für Mietkürzungen gewesen, die der BGH nun abgeräumt hat.

Das Unternehmen Kik sieht sich durch das Urteil bestätigt. Man habe schon bisher mit allen Vermietern Einzelgespräche über Kompensationen geführt, teilte Kik-Chef Patrick Zahn mit. Ziel sei, eine Schieflage des Unternehmens abzuwenden - was auch im Sinne der Vermieter sei.

Die nächsten BGH-Verhandlungen zu den Lockdown-Folgen sind bereits terminiert. Am 26. Januar geht es um die Frage, ob einem Gastronom Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung zustehen. Und Anfang März wird über staatliche Entschädigungen für coronabedingte Betriebsschließungen verhandelt.

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