Corona:Nicht voreilig lockern

Lesezeit: 2 min

Alexander Hagelüken twittert auch mal gern. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Schnell 2-G-Regeln für Geschäfte und Restaurants aufzuheben, erhöht die Infektionsgefahr. Der Wirtschaft könnte es mehr schaden als nutzen.

Von Alexander Hagelüken

Wer jetzt drängt, Corona-Beschränkungen zu lockern, darf mit Beifall rechnen. Nach zwei Jahren Pandemie sind die Menschen müde und genervt. FDP-Chef Christian Lindner kalkuliert das ein, wenn er die 2-G-Regel für Geschäfte bald aufheben will. Andere fordern, Bürger sollten Restaurants oder Veranstaltungen besuchen dürfen, ohne geimpft oder genesen zu sein. Dabei wird gerne argumentiert, diese Lockerungen müssten sein, um der Wirtschaft zu helfen. Doch voreilige Öffnungen sind aus zwei Gründen falsch. Sie schaffen nicht nur Infektionsrisiken. Sie können der Wirtschaft auch mehr schaden als nutzen.

Die Omikron-Variante hat die Pandemie noch mal verändert. Die Menschen stecken sich viel leichter an. Gleichzeitig scheinen bei Omikron weniger gesundheitlich schlimme Verläufe aufzutreten. Allerdings braucht es Zeit, die Folgen genau zu beurteilen. Wer sich heute ansteckt, muss weiter fürchten, dass seine Gesundheit getroffen wird. Auch als Geimpfter. Das spricht klar dagegen, schon bald Beschränkungen aufzuheben.

Was bringen solche Lockerungen ökonomisch? Die einfache Rechnung wäre, dass Läden und Lokale mehr Kundschaft haben, weil anders als bisher auch Ungeimpfte kommen dürfen. Diese Rechnung ist zu einfach.

Die geimpfte Mehrheit der Deutschen fürchtet eine Ansteckung mit Corona. Deshalb hat sie sich ja impfen lassen. Mit Regeln wie 2 G können diese Bürger davon ausgehen, sich in Geschäften und Gastronomie nicht bei Impfverweigerern anzustecken. Werden die Regeln einfach aufgehoben, kann die Mehrheit jederzeit auf Ungeimpfte treffen, die womöglich noch ungetestet sind. Das dürfte viele davon abschrecken, einkaufen oder essen zu gehen - und die Umsätze senken.

Es ist sogar so: Die 2-G-Regeln bieten eine zusätzliche Sicherheit, die vor ihrer Einführung im Herbst fehlte. Sie dürften manchen zum Restaurant- oder Ladenbesuch bewegen, der sich vorher zurückhielt. Das beschert Gastronomen und Geschäftsinhabern einige Umsätze, die sie vorher nicht hatten. Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft rät zu Recht zur Vorsicht: erst mal in Pilotprojekten testen, wie sich Lockerungen auswirken, bevor man sie flächendeckend einführt.

Klar, viele Dienstleister wünschen sich, dass alle Einschränkungen endlich aufhören. Sie bangten in den vergangenen zwei Jahren mehr als einmal um ihre Existenz. Allerdings ließ sie die Gesellschaft nicht im Stich, es gab umfangreiche staatliche Hilfe. Übereilte Lockerungen könnten nun eher wirtschaftlichen Schaden anrichten. Es gilt weiterhin: Wer ernsthaft die Pandemie bekämpft, auch die Omikron-Variante, der hilft der Wirtschaft am meisten.

Aber zeigen nicht Länder wie Dänemark, dass Lockerungen sinnvoll sind? Der Vergleich zieht nicht. Denn in diesen Ländern haben sich (teils weitaus) mehr Menschen impfen lassen. Das begrenzt die Infektions- und Gesundheitsgefahren. Damit haben die Bürger Verantwortung für sich und andere übernommen, die eine Freiheit erlaubt, die die vielen deutschen Impfgegner noch unmöglich machen.

Muss man schnell lockern, um Ungeimpften bei ihren Konsumwünschen entgegenzukommen? Nein. Sie können jederzeit den Impfpiks-Passierschein zu Lokalen und Läden lösen. Einfach solide informieren, statt Verschwörungstheorien und wissenschaftlich haltlosen Zweifeln anzuhängen.

Die 2-G-Regeln aufzuheben, würde den Impfgegnern ein falsches Signal senden: Sie könnten wieder ungehindert einkaufen und essen gehen, obwohl sie mit ihrem Impftrotz weiterhin rücksichtslos ihre Mitbürger in die Geiselhaft einer Ansteckungsgefahr nehmen.

Besonders absurd wird die FDP-Forderung nach schnellen Lockerungen dadurch, dass prominente Parteipolitiker wie Wolfgang Kubicki eine allgemeine Impfpflicht verhindern wollen. Die Pflicht würde helfen, die Impfquote zu erhöhen. Um sie durchzusetzen, könnten Maßnahmen wie Bußgelder oder eine vorübergehende Streichung des Arbeitslosengeldes für jene helfen, die mangels Impfung keinen Job finden.

2 G aufzuheben und auf die Impfpflicht zu verzichten - das wäre dagegen eine doppelt schlechte Kombination.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: