Corona-Maßnahmen:Das Ende der Maskenpflicht

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Eine Frau in der Mainzer Fußgängerzone. Die Maske trägt sie in der Hand. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Was vor Kurzem noch undenkbar war, ist nun in vielen Bereichen erlaubt: ohne Maske einkaufen. Viele Menschen tragen sie trotzdem. Die neue Regelung ist umstritten.

Von Michael Kläsgen und Paulina Würminghausen

Eigentlich sieht an diesem Montagmorgen alles so aus wie immer im Münchner Glockenbach-Viertel. Vor den Geschäften bleiben die meisten Menschen erst mal kurz stehen und kramen in ihren Jackentaschen nach der Maske. Doch eigentlich müssten die Menschen hier das jetzt nicht mehr. Nach der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes ist das Tragen von Masken seit diesem Montag nur noch in Ausnahmefällen und in besonderen Hotspots verpflichtend. Solche Hotspots finden sich momentan nur in Mecklenburg-Vorpommern und in Hamburg.

Alle anderen Bundesländer haben die Maskenpflicht weitestgehend aufgehoben. Ohne rechtliche Anordnung müssten die Händler von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und das Tragen von Masken durchsetzen. Doch davor schrecken viele derzeit zurück. Nicht etwa, weil sie es aus medizinischen Gründen für überflüssig hielten, sondern weil sie wissen, dass der Aufwand unverhältnismäßig groß wäre, die Kunden zum Maskentragen zu verpflichten.

Fünf Kunden ohne Maske waren an diesem Morgen schon da, erzählt Ralf Richter-Dellmann, 63, Inhaber eines Münchner Schreibwarengeschäfts. Und es ist gerade erst elf Uhr. Wie er das findet, dass die Menschen ohne Maske in seinen Laden kämen? Er zuckt mit den Schultern: "Das muss für mich okay sein. Ich kann ja keinen dazu zwingen, eine Maske zu tragen." Seit 30 Jahren steht er hier tagein, tagaus hinter der Ladentheke, die Arbeit macht ihm Spaß. Doch in diesen Zeiten habe er natürlich schon Angst, sich mit Corona zu infizieren. Er fände es gut, wenn die Menschen sich nun freiwillig dazu entscheiden würden, das Stoffteil aufzusetzen. "Man hat sich doch sowieso schon so sehr daran gewöhnt", sagt Richter-Dellmann.

Viele Einzelhändler haben angekündigt, die Maskenpflicht nicht grundsätzlich aufrechtzuerhalten. Einige raten ihren Kunden trotzdem zur Maske, darunter Ikea, die Bekleidungskette Ernsting's Family, das Kaufhaus Woolworth und der Buchhändler Thalia. Auch Edeka, der größte Lebensmittelhändler in Deutschland, empfiehlt seinen Kunden, trotzdem zumindest eine medizinische Maske zu tragen. Rechtlich gesehen ist der Händler aber wie alle anderen dazu gezwungen, Kunden auch ohne Maske einkaufen zu lassen.

"Letztlich hat es jetzt jeder selbst in der Hand, sich zu schützen."

Die Gewerkschaften appellieren an die Arbeitgeber im Einzelhandel, den Schutz ihrer Mitarbeiter und damit auch der Kunden zu gewährleisten. Verdi kritisierte die Aufhebung der Maskenpflicht angesichts der hohen Infektionszahlen. Viele Beschäftigte machten sich deswegen große Sorgen.

Im Edeka am Gärtnerplatz in München, nur ein paar Meter entfernt von Richter-Dellmanns Schreibwarengeschäft, sitzt eine aufgebrachte Frau an der Kasse: "Was soll ich machen, wenn die Kunden keine Maske tragen?", fragt Silvia Micheller, Verkäuferin, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie fühlt sich im Stich gelassen: "Die Zahlen sind so hoch, das hätte jetzt nicht sein müssen. Das ist zu früh", sagt die 52-Jährige.

Das sieht Monika Rose genauso. Sie war gerade eben noch im Supermarkt einkaufen, nur ein paar Kleinigkeiten. Rose sagt geradeheraus das, was sie denkt. Das klingt dann so: "Ich finde es total bescheuert, dass die Maskenpflicht jetzt aufgehoben wurde." Es sei schlicht der falsche Zeitpunkt. Indem sie weiterhin eine Maske trage, wolle sie sich selbst und andere schützen. Eine andere Kundin, die nicht mit ihrem Namen zitiert werden will, sagt dagegen: "Wir sind alle mündige Bürger, wir können selbst entscheiden, ob wir eine Maske tragen oder nicht." Sie habe all die Einschränkungen jetzt langsam satt. Deswegen trage sie auch jetzt keine Masken mehr. Coronamüde nennt man das wohl. Wenn man sich zumindest in der Münchner Innenstadt so umschaut, scheinen Menschen mit dieser Einstellung aber eher die Minderheit zu sein.

Eine Pflicht besteht nicht mehr. Aber das Theater am Aegi in Hannover empfiehlt Besuchern, weiter eine Maske zu tragen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der Handelsverband Deutschland (HDE) appelliert an die Vernunft der Bürger. Man gehe davon aus, dass viele Kundinnen und Kunden freiwillig weiter die Maske beim Einkaufen tragen würden. Der Bundesverband hatte während der Pandemie immer wieder betont, "kein Infektionstreiber" zu sein. Die Maskenpflicht galt dem Verband und vielen Händlern lange Zeit als notwendiges, aber verhasstes Übel. Die Maske schütze vor Ansteckung, halte die Menschen aber vom Shoppen ab und habe daher negative Auswirkungen auf die Umsätze. Die Lockdowns hatten vor allem dem Textileinzelhandel enorm geschadet. Statt der Maske könnten andere Schutzvorkehrungen beibehalten werden. "Letztlich hat es jetzt jeder selbst in der Hand, sich zu schützen, da braucht es keine Pflicht mehr", sagt der Präsident des Handelsverbandes Hessen, Jochen Ruths.

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