Contra digitale Früherziehung:Zweijährige am Tablet - digitale Naivlinge

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Warum mit dem Teddy spielen, wenn man ihn auch antippen kann? (Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

Schon Kleinkinder sollen so früh wie möglich lernen, auf Tablets zu wischen und auf Smartphones zu tippen. Das ist grundfalsch.

Von Helmut Martin-Jung

Kaum etwas ist lustiger, als sich anzusehen, wie Futuristen sich vor 50 Jahren die heutige Welt vorstellten. Bei aller Unsicherheit von Prognosen darf aber eines doch als gesichert gelten: Wenn die Menschheit sich nicht durch einen fatalen Fehler in die Steinzeit zurückbefördert, wird die künftige Welt eine von Technik geprägte sein. Wer damit umzugehen weiß, dessen Chancen, auf der Sonnenseite zu landen, stehen besser als die von technischen Analphabeten. Denen bleiben nur die Jobs, die mehr und mehr auch von Maschinen erledigt werden können.

Also scheint es nahezuliegen, die nachwachsende Generation mit dem vertraut zu machen, was sie da erwartet. So früh wie möglich sollten sie lernen, auf Tablets zu wischen, auf Smartphones zu tippen. Spielerisch soll das alles sein, hübsch und kindgerecht. Doch das ist grundfalsch.

Schon heute ist es so, dass nur eine verschwindend geringe Minderheit junger Menschen tatsächlich weiß, was wirklich passiert, wenn eine E-Mail durchs Netz rauscht, wie ein Betriebssystem im Inneren tickt. In Wahrheit sind die angeblichen digital Natives in ihrer Mehrheit digitale Naivlinge, die bloß die Oberflächen bedienen können. Sogar unter den Informatik-Studenten gibt es viele, die sich damit begnügen, Apps zusammenzuklicken.

Wird es also helfen, wenn sich Kinder schon früh mit Lernsoftware auf dem Tablet beschäftigen? Nein, das schadet eher.

Dass die Geräte schon von Kleinkindern durch intuitives Ausprobieren bedient werden können, heißt ja nicht, dass man sie ihnen offensiv in die Hand drücken muss, nach dem Motto: "Hier, lern mal schön!" Gerade in den ersten Lebensjahren ist es entscheidend, dass Menschen viele (nicht zu viele) unterschiedliche Reize bekommen. Und zwar überwiegend solche aus der analogen Welt. Sich bewegen, draußen, mit anderen Menschen, jungen und alten, zu kommunizieren, vorgelesen bekommen - das alles schafft erst den mentalen Beziehungsrahmen, in den allmählich auch die digitale Welt eingeordnet werden kann. Nur wer Erfahrungen in der analogen Welt gemacht hat und macht, kann auch mit der digitalen Welt souverän umgehen.

Denn darauf kommt es an: Die Technik ist nicht dazu da, sich ihr vom Kleinkindesalter an zu unterwerfen. Sie soll dem Menschen dienen, ihn nicht beherrschen. Im Übrigen sprechen auch ganz handfeste Gründe dafür, das Herumtollen im Park, das Wasserpanschen in der Sandkiste virtuellen Weltreisen auf dem Bildschirm vorzuziehen. Biologisch gesehen, sind Menschen Savannenläufer, die viel Bewegung brauchen, damit es ihnen gutgeht.

Also zurück zur Natur? Stecker raus? Natürlich nicht. Die Welt der Zukunft verlangt technisches Verständnis, braucht aber auch gesunden Menschenverstand, klares Urteil. Und das hat viel mit Be-Greifen zu tun, nicht so viel mit virtuellen Dingen, die dem Kleinkind (und manchem Erwachsenen) wie Magie vorkommen.

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Das Pro: Wer mit seinem Kind in die Möglichkeiten der interaktiven Medien eintaucht, macht den Nachwuchs auf spielerische Weise fit für die Zukunft, schreibt Thorsten Riedl.

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