Banken:Mitarbeiter stellen Commerzbank-Führung desaströses Zeugnis aus

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Der Aktienkurs der Commerzbank ging zuletzt stetig nach oben. Doch viele Mitarbeiter glauben nicht an die Strategie der Bank. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Zuletzt ging es stetig bergauf für die Commerzbank, das frühere Sorgenkind unter den deutschen Banken. Doch nun sendet eine Mitarbeiterumfrage alarmierende Signale.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es ist eines der Tuschel-Themen in der Frankfurter Finanzszene: Wenn sich die Commerzbank weiter so gut entwickle, so heißt es anerkennend, dann sei sie an der Börse bald so viel wert wie die Deutsche Bank. In Wahrheit trennen die "Gelben" in Punkto Börsenwert zwar noch ein paar Milliarden von den "Blauen". Aber während der Aktienkurs der Commerzbank seit Jahresanfang zulegte, das Geldhaus sogar den Wiederaufstieg in den Dax feierte, gaben die Aktien der Deutschen Bank unter dem Strich nach.

Früher galt die Commerzbank als Problemfall. Anfang Oktober stiegen die Aktien erneut und die Bank erhöhte die Dividende für die Aktionäre. Die Botschaft: Die Commerzbank ist wieder da. Vorstandschef Manfred Knof, vor zweieinhalb Jahren als Sanierer geholt, habe die Wende geschafft. Sogar bei den Mitarbeitern käme der knorrige Manager inzwischen besser an, verbreiteten seine PR-Berater. Im Frühjahr hätten Kollegen auf einer Betriebsfeier Schlange gestanden, um mit Knof Selfies zu schießen und diese stolz in sozialen Netzwerken zu verbreiten.

"Mehrheitlich keine Vertrauenskultur"

Tatsächlich aber scheint die Stimmung in der Belegschaft mit dem Außenbild wenig zu tun zu haben. Das geht aus der Auswertung einer Mitarbeiterumfrage hervor, die der SZ vorliegt. Das Handelsblatt hatte zuerst darüber berichtet. Besonders frappierend: viele Mitarbeiter glauben offenbar nicht an die Strategie. Trotz signifikanter Verbesserung sei weiterhin nur eine Minderheit von der Strategie überzeugt. Zwar sei rund die Hälfte und damit doppelt so viele als noch 2022 optimistisch hinsichtlich der Zukunft der Bank. Diese Wahrnehmung aber sei offensichtlich losgelöst vom Strategieverständnis, denn dieses stagniere seit Beginn der Messungen auf niedrigem Niveau.

Führungskräfte könnten die Strategie zwar besser nachvollziehen, aber auch hier glaubten nur gut 60 Prozent an den Erfolg. Zwar sei das Vertrauen in das Top-Management seit der letzten Umfrage auf 43 Prozent gestiegen - Vorstandsentscheidungen könnten aber nur 25 Prozent der Befragten nachvollziehen. Das ist eine ziemliche Klatsche für die erste Führungsriege.

Mehr noch: Auch Führungskräfte selbst erlebten mehrheitlich keine Vertrauenskultur, auch wenn der Wert sich signifikant verbessert habe. Nur die Hälfte der Beschäftigten sage aus, keine negativen Konsequenzen bei Meinungsäußerungen fürchten zu müssen. Hierzu zähle auch der Umgang mit Fehlentscheidungen. Mit anderen Worten: Wer Karriere in der Bank machen will, muss sich aus Sicht vieler Mitarbeiter offenbar in jeder Hinsicht uneingeschränkt loyal gegenüber der Führung zeigen. Die Commerzbank werde zudem nicht als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Rund 40 Prozent seien bei einem vergleichbaren Angebot bereit, den Arbeitgeber zu wechseln.

"Die Transformation zur digitalen Bank ist zu langsam"

Und auch die Bereitschaft, die Commerzbank aus Kundensicht weiterzuempfehlen, nehme seit 2020 kontinuierlich ab. "Die Transformation zur digitalen Bank ist - was die Prozesse betrifft - leider zu langsam", wird ein Mitarbeiter zitiert. 2022 hatten zum Beispiel viele Kunden sehr lange auf ihre Steuerbescheinigungen warten müssen. Ein anderer Mitarbeiter sagte, das Management kommuniziere zwar deutlich besser als früher, trotzdem blieben Entscheidungen schwierig nachvollziehbar, zum Beispiel gebe es inzwischen weniger Produktspezialisten.

Ein Sprecher der Commerzbank bezeichnete die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung als wenig überraschend. Bei einer Transformation in der Größenordnung und Schnelligkeit, wie die Commerzbank sie in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren vollzogen habe, sei "ein differenziertes Bild" zu erwarten gewesen. Dies sei bei großen Veränderungsprozessen normal. Auch der Zeitpunkt der Befragung im Juni spiele eine Rolle: Seit dem Frühsommer würden die positiven Effekte von Umstellungen in den Filialen und dem Beratungscenter für Kunden und Mitarbeiter immer stärker spürbar. Alles also kein Grund zur Sorge, so die offizielle Linie.

Warum genau die Mitarbeiter allerdings an der Strategie zweifeln, bleibt unklar. Liegt es womöglich daran, dass die Bank bislang nicht wirklich zum Technologieanbieter geworden ist, wie Knof es angekündigt hatte? Sie ist weiterhin eine ganz normale Bank, nimmt Spargeld an, bietet Girokonten, vergibt Kredite an Privat- und Firmenkunden. Die "Runderneuerung", sie bestand bislang im Wesentlichen darin, entschlossen die Kosten zu senken, Filialen zu schließen, Stellen abzubauen - manche sagen, zu überhastet. Oder liegt es auch daran, dass sich Führungskräfte in fast jeder der zurückliegenden Neuorganisationen neu auf ihre Jobs bewerben mussten? Auch solche Maßnahmen gelten nicht unbedingt als Nährboden für offene Feedback-Kultur.

Die guten Zahlen verdankt Knof zudem vor allem der noch vergleichsweise robusten Konjunktur und niedrigen Kreditausfällen, aber vor allem der Zinswende, auf die seine Vorgänger lange vergeblich gewartet hatten. Sie spült den großen europäischen Banken derzeit enorme risikolose Zusatzerträge in die Kassen, die sie erst schrittweise an die Kunden weitergeben, etwa über höhere Tagesgeldzinsen. Dieser Effekt aber ist vorübergehend, weswegen sich viele fragen, wie die Bank auch im Kerngeschäft wachsen will. Oder auch, ob die Führung angesichts hoher Dividenden an die Aktionäre ausreichend in die IT investieren kann. In jedem Fall aber scheint viele Mitarbeiter die zuletzt äußerst rosige Außendarstellung irritiert zu haben.

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