China:Twittergemeinde bedrängt Polizei

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Aus seiner Zelle hatte ein Blogger einen Notruf abgesetzt. Nun überschwemmen Postkarten empörter Chinesen die Polizeistation.

Henrik Bork

Der Polizist war eingeschlafen. Guo Baofeng angelte nach dem Handy. Hastig tippte er einen Hilferuf, der sich über Twitter sofort in ganz China verbreiten sollte. "Ich bin von der Mawei-Polizei verhaftet worden. SOS", stand da.

Weil unter anderem Regierungskritiker Missstände über das Internet anprangern, blockieren Pekings Zensoren oft Twitter und Facebook. (Foto: Foto: AP)

Sieben Minuten später kam eine zweite Botschaft aus der Arrestzelle: "Bitte helft mir, ich greife das Telefon, während die Polizei schläft." Seither, also seit 14:40 Uhr am 15. Juli, ist Guo Baofeng verstummt. Nicht verstummt aber ist die Bewegung, die sich nach seinem Twitter-Feed aus der Zelle zu seiner Rettung gebildet hat.

Die Polizeistation des Bezirks Mawei in der Stadt Fuzhou in Chinas Küstenprovinz Fujian wird derzeit von Postkarten empörter Chinesen überschwemmt. Guo Baofeng ist ein bekannter Blogger und hatte kürzlich mitgeholfen, im Internet einen Justizskandal aufzudecken. Dabei ging es um den Tod einer jungen Frau namens Yan Xiaoling.

Sie verstarb im Februar 2008 an inneren Blutungen. Internetberichten zufolge soll sie zuvor von "mindestens fünf oder sechs" Männern vergewaltigt worden sein. Krankenschwestern hätten dem Vater des Opfers von ihren Verletzungen erzählt, berichteten Guo und andere "Bürgerjournalisten" im Internet.

Gerüchte kursieren

Die Polizei lehnte Forderungen des Vaters nach Ermittlungen ab, offenbar auf Drängen örtlicher Kader der Kommunistischen Partei Chinas. Es kursieren Gerüchte, dass einer der Täter ein Parteikader war. Im Untersuchungsbericht hieß es, die junge Frau sei an einer "Bauchhöhlenschwangerschaft" verblutet, was die Familie nicht glaubt.

Guo Baofeng und fünf weitere Blogger wurden festgenommen. Sie sollten Geständnisse unterschreiben, im Netz und über Twitter "Diffamierungen" verbreitet zu haben, berichtet ein Pekinger Anwalt. Guo weigerte sich.

Die Episode illustriert, wie schnell sich auch in China über Twitter Nachrichten verbreiten, die der Regierung unbequem sein müssen. Sie zeigt auch, warum Pekings Zensoren Twitter, Facebook und andere "soziale Netzwerke" seit Wochen blockiert haben. Twitter war bereits zum 20. Jahrestag des Pekinger Massakers vom Juni 1989 blockiert, dann wieder freigeschaltet worden.

Seit den Unruhen der uigurischen Minderheit ist Twitter erneut aus dem Web gebannt. Die Blockade betrifft aber nur die Internetseite des Dienstes. Die Zensoren übersahen die Möglichkeit, Botschaften vom Handy aus direkt auf einen Twitter-Server zu stellen.

Bei ihrem Protest beweisen Guo Baofengs Freunde nun Sinn für Humor. Maweis Polizeistation versinkt in Bergen von Postkarten, auf denen immer derselbe Satz steht: "Guo Baofeng, deine Mutter ruft dich zum Abendessen!"

© SZ vom 29.07.2009/ cf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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