Aktien:Warum die Börsen trotz aller Krisen boomen

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Prost: Zwei Börsenhändler stoßen am letzten Handelstag der Frankfurter Börse vor der Anzeigetafel mit der Dax-Kurve an. Der Leitindex legte 2023 um gut 20 Prozent zu. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Der Dax steigt 2023 um mehr als 20 Prozent - und legt damit das beste Börsenjahr seit 2012 hin. Welche Aktien die größten Gewinner und Verlierer sind.

Von Harald Freiberger

Was wäre wohl passiert, wenn jemand vor genau einem Jahr prognostiziert hätte, dass 2023 das beste Börsenjahr seit Langem würde? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er für verrückt erklärt worden wäre. Ein kurzer Rückblick auf das Jahresende 2022: Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar herrschte in Deutschland Energie-Notstand, es gab Befürchtungen, dass bei einem harten Winter die Wohnungen kalt bleiben. Die Energie- und Lebensmittelpreise waren in die Höhe geschossen, die Inflationsrate lag bei rund zehn Prozent. Die Konjunktur war am Einbrechen, das böse R-Wort machte die Runde, R für Rezession. Der Ausblick auf 2023 machte vielen Menschen Angst.

Ein Jahr später ist diese Angst nicht kleiner geworden. Der Ukraine-Krieg geht erbittert weiter, dazu brach der Krieg in Israel aus, eine Rezession in Deutschland zum Jahresende ist wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist die Börsen-Bilanz im Jahr 2023 geradezu sensationell: Der deutsche Leitindex Dax zum Beispiel legte um 20,3 Prozent zu. Am Freitag, dem letzten Handelstag des Jahres, schloss er bei 16 752 Punkten. Ein so großes Plus gab es zuletzt im Jahr 2012, damals stieg der Dax um 29 Prozent. Die 20-Prozent-Marke wird selten überschritten. Im Jahr 2003 betrug das Plus einmal 37,1 Prozent, und das erfolgreichste Jahr aller Zeiten für den deutschen Leitindex war 1985, als es um 66,4 Prozent nach oben ging.

Der größte Gewinner im Dax: eine Rüstungsaktie

Viele Menschen sind verwundert darüber, dass die Börse in politisch derart unsicheren Zeiten so boomt. Es liegt daran, dass die Konflikte die Weltwirtschaft nur marginal beeinträchtigen. Die Energieversorgung scheint wieder sicher zu sein, und die Unternehmensgewinne legen weltweit zu. Ein wichtiger Grund für den Börsenaufschwung seit Herbst ist die rasch sinkende Inflation. Sie betrug im Euro-Raum zuletzt nur noch 2,4 Prozent und lag damit nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Vor einem Jahr waren es noch mehr als acht Prozent. Damit besteht Aussicht darauf, dass die Zinsen 2024 sinken, und niedrigere Zinsen sind der beste Schmierstoff für die Börse.

Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt. Der Aktienindex MSCI World, der rund 1600 Aktien aus 23 Industrieländern zusammenfasst, legte im Jahresverlauf um rund 22 Prozent zu. Noch stärker boomte die Börse in den USA, wo der Aktienindex S&P 100 um 31 Prozent kletterte.

Ein Blick auf die größten Gewinner und Verlierer an den Börsen ist wie ein Spiegel der wirtschaftlichen Entwicklungen im Jahr 2023: Die Weltwirtschaft nimmt wieder Fahrt auf, was sich in allen Industriesparten positiv bemerkbar macht. Auch IT-Aktien, die am stärksten unter dem Zinsanstieg im Jahr 2022 gelitten hatten, erholten sich wieder. Gleichzeitig markierte 2023 das Jahr, in dem die Corona-Pandemie ausklang - mit negativen Folgen für Aktien, die davor profitiert hatten.

In Deutschland steht bemerkenswerterweise eine Rüstungsaktie an der Spitze: Rheinmetall verzeichnete ein Kursplus von 54 Prozent. Größter Verlierer ist der Online-Versender Zalando, der in den Lockdowns der Corona-Zeit noch zu den großen Gewinnern zählte. Auf der Negativ-Liste finden sich auch die beiden Krisenkonzerne Siemens Energy und Bayer.

Überraschend ist die Spitze im europäischen Aktienindex Stoxx 50: Ausgerechnet die Schweizer Großbank UBS belegt mit einem Kursplus von 53 Prozent dort den ersten Platz. Sie stand im März im Mittelpunkt der größten Bankenkrise in Europa seit der Finanzkrise 2008/09: Die andere Schweizer Großbank Credit Suisse war wegen mehrerer krasser Managementfehler fast pleite und musste in einer Notaktion der Schweizer Regierung gerettet werden. Sie wurde von der UBS übernommen, was zunächst auf deren Aktienkurs drückte. Doch bald erholte er sich. Das Ende der Credit Suisse bedeutet für die UBS auch das Verschwinden des größten Konkurrenten. Platz zwei in Europa nimmt der norwegische Pharmakonzern Novo Nordisk ein mit einem Kursplus von 52 Prozent; er sorgte mit seinen Abnehmspritzen Ozempic oder Wegovy für Aufsehen. Verlierer in Europa sind mit British American Tabacco und Diageo ein Tabak- und ein Spirituosenkonzern - liegt es am Ende der Covid-Lockdowns, in denen bekanntermaßen mehr getrunken und geraucht wurde?

In den USA ist der Chip- und Grafikkartenhersteller Nvidia der große Gewinner: Die Aktie hat sich mehr als verdreifacht. Auch Meta, der Facebook-Konzern, stieg gewaltig im Kurs, wobei es eher eine Wiedergutmachung war: Die Aktie war 2022 fast so stark gefallen, wie sie 2023 wieder stieg. Die Liste der Verlierer führen zwei Pharmakonzerne an: Pfizer und Bristol-Myers Squibb. Was eigentlich ein gutes Zeichen ist: Je weniger krank die Menschen sind, umso mehr leiden die Medikamentenhersteller.

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